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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0515

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Das Fürstenthum Anhalt.

501

Diese Schranke fiel in Anhalt fort; hier war Georg von Anhalt ja selbst der Landes-
herr und konnte demnach ungehindert von fremden Einflüssen schalten und walten. Für Kur-
sachsen ersonnen, für Merseburg versucht und für Anhalt definitiv eingeführt, so lässt sich die
Stufenfolge bezüglich mancher Einrichtung Georg’s formuliren.
Hinsichtlich der Thätigkeit Georg’s in Kursachsen bei den Leipziger, den Cellischen
Berathungen und den Interims-Verhandlungen verweise ich auf meine „Kirchengesetzgebung“
S. 21 ff.
Drei Ordnungen wurden in Altenzelle „in der Celle“ 1545 beschlossen: eine Consistorial-
Ordnung, eine Ehe-Ordnungund eine Kirchenagende.
Die beiden ersteren traten in Merseburg unverändert in Geltung. (Sehling, Kirchen-
gesetzgebung, S. 45. Kirchen-Ordnungen Bd. II, S. 4.)
Anders die Kirchen-Agende. Zahlreiche Gutachten und Conferenzen offenbarten die
grösste Verschiedenheit in den Meinungen der betheiligten Kreise. Bei dieser Agenden-Gesetz-
gebung trat eine eigenthümliche Richtung Georg’s besonders hervor: seine Vorliebe für die
reichen Formen der alten Kirche. Schliesslich war Georg von Anhalt die eigentlich treibende
Kraft in der Agenden-Gesetzgebung, während die ihm unterstellte sächsische Geistlichkeit eine
neue Agende überhaupt nicht wünschte, sondern bei der Heinrich’s- Agende verbleiben wollte.
Es kam denn auch in Sachsen zu keiner Publication der berathenen Agende, sondern Georg von
Anhalt erhielt nur den Auftrag, die wichtigsten Ergebnisse zu einer Instruktion zu vereinigen,
welche den Pfarrern auf den Synoden vorzuhalten sei. So entstand die Superintendenten-In-
struktion, bei welcher Georg die Artikel zu Grunde legte, welche er auf einer Synode zu
Merseburg bereits im Jahre 1544 seinen Pfarrern publicirt hatte. (Dieselben sind mit den Ver-
besserungen für Kursachsen oben S. 12 ff. abgedruckt.) —
Noch weniger Freude erlebte Georg in Sachsen an der grossen Interims-Agende, als
deren eigentlichen Urheber wir ihn zu betrachten haben. (Vgl. Sehling, Kirchengesetz-
gebung, Bl. 91 ff.) Seiner milden, vermittelnden Gesinnung entsprach das Nachgeben in den
Nebendingen, und in gleichem Maasse befriedigte ihn die Aussicht, die alten Gebräuche
wieder zu beleben, den Gottesdienst mit reichen Formen, namentlich auch musikalischen, aus-
zustatten. Auch konnte er hier die in der Cellischen Kirchenagende von 1545 nicht verwirk-
lichten Ideen realisiren. So hat er denn in die Interimsagende grössere Stücke aus der Celli-
schen Ordnung und aus den Ergebnissen späterer Berathungen zu Celle 1548 aufgenommen,
z. B. das Capitel von der Beichte und der Absolution, während er z. B. die Buss-Ordnungaus einer
Merseburger Vorlage entlehnte. Diese grosse (in der Dresdener Handschrift 325 Folioseiten um-
fassende) Agende wurde in Sachsen nicht publicirt; sie wurde aber trotzdem der Gegenstand heftigster
Angriffe der Flacianer, nachdem die gefährlichen Zeiten des Interims überwunden waren. Und
Georg von Anhalt musste sein Werk vertheidigen. Selbst noch nach seinem Tode war er des-
halb Gegenstand gehässiger Vorwürfe. (Vgl. Sehling, Kirchengesetzgebung, S. 116.) Am
27. September 1548 legte Georg sein Amt als Coadjutor in geistlichen Dingen in Merseburg
nieder und verlegte seine Thätigkeit ausschliesslich nach Anhalt, wo er aber schon 1553 starb.
II. Überschauen wir Georg’s Wirken in Kursachsen und Merseburg, so richtete sich
dasselbe
1. auf die Schaffung von Agenden und die Regelung der Ceremonien.
2. Mustergültig wurde sein Modus der Kirchenaufsicht: General-Visitationen, Partikular-
Visitationen und Synodus. Vgl. hierzu im Einzelnen Bd. I dieser Ausgabe S. 72, Bd. II, S. 4
und S. 405; Sehling, Kirchengesetzgebuug, S. 119.
3. War seine Sorgfalt gerichtet auf die Ausgestaltung der Kirchenverfassung, des Con-
sistoriums und seiner Ordnungen, namentlich des Eherechts. Ausser der Cellischen Ehe-Ord-
 
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