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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0516
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Das Fürstenthum Anhalt.

nung sind für Merseburg noch zwei Ehe-Ordnungen zu erwähnen, namentlich der ausführliche
„Einfeltige Unterricht“, welcher 1548 gedruckt wurde. (Vgl. oben S. 6.)
4. Bezüglich des inneren kirchlichen Lebens beschäftigte ihn besonders die Handhabung
der Kirchenzucht. Eine öffentliche Buss-Ordnung wurde von ihm ausgearbeitet und in Merse-
burg eingeführt.
Alle diese Maassnahmen und Ordnungen übertrug Georg mehr oder weniger auch
auf Anhalt.
1. Wir beginnen mit der Regelung des Gottesdienstes und der Kirchenceremonien.
Ohne Bedenken können wir annehmen, dass Georg seine Merseburger Formen auch auf
Anhalt ausdehnte. Aber für Anhalt hat er ausserdem noch eigene Anordnungen getroffen, in
denen er seiner Vorliebe für schöne und reiche Ceremonien, für reiche Liturgie und Musik
freieren Spielraum geben konnte, als ihm dies in Sachsen gestattet war.
Hierhin gehört eine kurze Agende aus dem Jahre 1548. Amiling in seiner Schrift
„Summarische Widerlegung“ u. s. w., 1598/99 (Duncker S, 189, 190) spricht ausdrücklich von
einer solchen Ordnung Georg’s und hebt hervor, dass diese bis zum Ende des 16. Jahrhunderts in
Geltung gestanden hat. Diese Geltung der Dessauischen Kirchen-Ordnung wird auch bestätigt
in einem Gesuche, welches der Caplan Laelius am 6. März 1597 beim Fürsten Johann Georg
einreichte und in welchem er hervorhob, dass ihm vor 14 Jahren bei Übernahme seines Amtes
befohlen worden sei „.die christlichen kirchen-ceremonien, in unserer kirchen üblich, die
von der dessauischen kirchen-ordnuug genommen ohne superstition.zu erhalten“
(Duncker, Bekenntnissstand, S. 133).
Diese Kirchen-Ordnung glaubte man bisher in einem Folianten Nr. 72 der Fürst Georg’s-
Bibliothek in Dessau zu erkennen, welcher den Aufdruck: 1555 trägt. Derselbe enthält jedoch
etwas ganz Anderes, nämlich das für Anhalt bestimmte Exemplar der sächsischen Interims-
Agende, worüber nachher zu reden ist.
Diese Kirchen-Ordnung Georg’s ist uns vielmehr in einem Bande des Superintendentur-
Archives zu Zerbst erhalten. Im Zerbster Superintendentur-Archiv XXIX, Bl. 30 ff. liegt sie
eingeheftet in einer zusammenhängenden Lage. Der äussere Umschlag trägt in Fractur den
Titel: „Fürst Georgen Kirchen-ordnung“. Auf der Rückseite des Umschlags liest man von der
Hand des Fabricius geschrieben: „Kyrchen Ordnung unser gnedigen fürsten und herrn zu An-
halt“. Auf der Rückseite des letzten Blattes ebenfalls von Fabricius geschrieben: „Kyrchen-
ordnung zu Cervest“. Der Text trägt die eigenhändige Unterschrift Georg’s von Anhalt, d. d.
3. August 1548. Wir drucken die Ordnung ab. (Nr. 115.)
Nach dem Wortlaut wurde die Ordnung dem Superintendenten, den Geistlichen und dem
Rath zu Zerbst zur Darnachachtung übergeben; offenbar ist sie aber nicht auf Zerbst beschränkt
geblieben, wie auch aus den Nachrichten von Amling und Laelius erhellt. Auch hier finden
wir die Vorliebe Georg’s für alte Gebräuche (hier namentlich Kleidung) ausgeprägt. Über die
Frage, inwieweit sie innerlich mit dem Interim in Verbindung zu bringen ist, sogleich!
In denselben Rahmen gehört auch der „Ordo cantionum ecclesiasticarum sacrae missae
secundum usum et morem ecclesiae Dessauiensis per totius anni circulum“, der sich in einer
schönen Handschrift des 16. Jahrhunderts auf 33 Blättern im Zerbster St.A. V, 209b, Nr. 9,
erhalten hat. Näheres habe ich über ihn nicht ermittelt,. Dass Georg von Anhalt gerade den
musikalischen Theil des Gottesdienstes in sein Herz geschlossen hatte, ist bekannt. So liess er
auch einen Ordo cantionum zum Te deum laudamus ausarbeiten. Ein Entwurf hierzu (4 Blätter)
mit der Randnotiz „Was Euer fürstlichen gnaden gefellig“ liegt in demselben Fascikel Nr. 9
des herzoglichen Staats-Archives zu Zerbst.
In demselben Zusammenhange ist zu nennen die: „Ordnung der deutschen geistlichen
gesenge“ (Zerbst, Superintendentur-Archiv XXIX, 363 ff.). Der Superintendent Fabricius ver-
 
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