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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0518
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504

Das Fürstenthum Anhalt.

Melanchthon erneut übersehene als der definitive Entwurf zu betrachten war und dem Kur-
fürsten zugesandt wurde. Von diesem letzteren liess sich Georg für seine Privatzwecke eine
schöne Copie anfertigen (die sogleich zu nennende sogen. Dessauer Kirchen-Ordnung von 1555).
Darüber, dass diese nicht sämmtliche Correcturen Melanchthon’s aufweist, möge man das Nähere
in meiner Schrift „Kirchengesetzgebung“ S. 106, Anm.2 und S. 112. nachlesen.
Die Interims-Agende gelangte aber in Sachsen nicht zur Anerkennung. Weitere Be-
rathungen folgten. Im Januar 1550 musste Melanchthon sie erneut prüfen. Seinem Zögern
und den veränderten Zeitverhältnissen ist es zu danken, dass man die Agende schliesslich ganz
fallen liess. (Vgl. das Nähere in meiner „Kirchengesetzgebung“ S. 108 ff.) In drei handschrift-
lichen Exemplaren war die Agende vorhanden. Zwei von diesen liessen die Kurfürsten von
Sachsen in ihren Archiven begraben.
Das dritte Exemplar nahm Georg mit sich nach Anhalt. Hier hoffte er sein grosses
Werk doch noch verwirklichen zu können. Er sandte — wohl zu diesem Zweck — die Hand-
schrift seinem Bruder Johann II. zu (vgl. einen Brief Georg’san die Hofräthe vom 3. Juni
1552 oder 1553 in: Zerbst, St.A., K. 55, Vol. V., fol. 206, Nr. 43. Johann starb am 4. Februar
1551). Auf diese Weise ist offenbar das dritte, existirende Exemplar der Interims-Agende
nach Dessau gekommen.
Georg dachte offenbar ernsthaft an Einführung. Er liess deshalb eine neue Revision
vornehmen, und zwar durch Dr. Johann Forster, der schon bei den früheren Berathungen seine
rechte Hand gewesen war. Wie wir aus Zerbst, St.A. zu K. 54, Vol. V, fol. 195, a. 12 er-
sehen, kam Forster auf Bitten Georg's am 25. Juli 1551 nach Dessau.
Inwieweit hierbei die Rücksicht auf den Kaiser mitgewirkt haben mag, bleibe dahin-
gestellt. Jedenfalls fällt in diese Tage eine ernste Mahnung des Kaisers. Dieselbe datirt vom
23. April 1551 (Copie im St.A. Zerbst a. a. O.) und erinnert an das Schreiben, welches er —der
Kaiser — wegen des Interims an den Grafen geschickt habe, „worauf die grafen Vertröstung und
zusage gethan demselben nachzukommen doch mit der angehengten furgewanten entschuldigung,
dass solches nicht gleich auf einmal ins werk gericht werden, sondern mit der zeit eins nach
dem andern furgenommen und angestellt werden müsste“; er habe bis jetzt die Sache ruhen
lassen; jetzt wolle er aber wissen, was die Grafen bis jetzt von seiner Ordnung angerichtet hätten. —
Wenn Georg aus Anlass des ersten Schreibens des Kaisers von 1548 ein Zugeständniss in Ge-
stalt der Ordnung vom 3. August 1548 gemacht hatte, so könnte man wohl verstehen, wenn
er bei dem zweiten, energischen Verlangen des Kaisers an eine weitergehende Concession, an
die Einführung der Interims-Agende, gedacht hätte.
Forster machte sich über die Revision. In dem Handexemplar Georg’s, welches jetzt
in der Herzog Georg’s-Bibliothek zu Dessau sich befindet (der reich gepresste Ledereinband
trägt die Jahreszahl 1555 und auf dem Schnitte die Aufschrift: Dessauer Kirchenordnung) finden
wir von seiner Hand herrührende Verbesserungen. Dieselben sind zahlreich und gründlich.
Vielfach sind sie nur redactioneller oder stilistischer Natur, vielfach aber auch von sach-
licher Bedeutung; bisweilen hat Forster Zettel eingelegt, um grössere Zusätze oder Ab-
änderungen anzubringen, so in den Abschnitten vom Fasten, vom Ehestand und im letzten Ab-
schnitte der Ordnung.
Auf dem letzten Blatte hat Forster noch einige Notizen geschrieben. So: „Articulus
vom fasten, besser ybersen folio 160.“ (Das bezieht sich auf den von ihm ganz neu ausgearbeiteten
.Abschnitt: Vom Fasten.) Das Exemplar war also schon zu Forster’s Zeiten foliirt. Daraus
folgt, dass der Einband aus späterer Zeit stammt, denn die Seitenzahlen sind zum Theil be-
oder verschnitten; auch hat der Buchbinder das letzte Blatt, auf welches Forster seine Notizen
schrieb, zum Bekleben des Deckels verwendet. Die Jahreszahl auf dem Einbande, 1555, beweist
also nichts. — Dass Forster die kursächsische Agende in der That für Anhalt anpassen sollte,
 
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