8. Der erste Straßburger Katechismus
Frag.: Es muß doch vorhin166 für die sünd gnug be-
schehen.
Ant.: Christus ist unser gnug thun, heiligung und
erlösung, er hat sich zur bezalung für unser sünd
geben167, unnd alle welt vermag nichts zur gnug-
thuung zu thun, Christus hat die volkomen erlö-
sungm funden.
Frag.: Paulus, sagen sy, gesteet das fegfeür, dan et-
lich bauwen auff Christum holtz, hew und stupf-
feln168. Der tag des Herren würt es offenbar machen.
Und welcherley eins yeglichen werck sey, das würt
durchs feür bewert. Er würt schaden leiden, er selbs
aber würt selig werden, so doch als durchs feür,
1. Co. 3 [12-13.15]. Hie wöl- jd 7v| len sy das fegfeür
mit gewalt erhalten haben.
Ant.: Paulus redt nit vom stand der zukünfftigen
welt, wie sy in verstan wöllen, sonder von der leer
des lebens, so auff Christum gebauwen würt. Dise,
so si neben dem wort und169 auß menschen radt-
schleg auffgebauwen, würt durchs feür der anfech-
tung zur zeyt der nöten und ndes todtsn schaden ley-
den, Aber er würt selig, sytemal sein grund Christus
ist, aber durchs feüro außgebutzt17O und auff den
reynen grundt, auff Christum171, widerbracht. Das
belangt nit das fegfeur. Der gestalt andere parabo-
len und gleychnussen als vom letsten quadran-
ten172 und dergleichen mögen nit weyters beweren,
dan sy der Herr angezogen hat173.
Frag.: Warum sprichstu zu letst Amen?
Ant.: Diß wörtlin ist ein befestigung, damit ich auß
hertzen und mit rechtem glauben begere das ewig
leben allen erwelten. Das wölle unser Gott und Vat-
ter uns allen geben, Amen.
[4.1 Wie eins Christlichen kinds leben angericht sein soll
Frag: Wie hastu dein leben angeschickt174?
Ant.: Ich kans nit wol sagen, aber wie ich |d 8r| un-
derricht bin zu leben, das wil ich anzeigen.
Frag: Sag her, so ferr es Christlich ordnung belangt,
dan sunst wissen die eltern ire kind in eussern leben
yedes seyner gelegenheyt nach wol an zurichten.
Ant.: Morgens solle ich bedencken, was ich thun
und lassen sol. Das erinner ich mich auß den Zehen
gebotten, welche mir anzeygen, wie mein leben sein
m Erg. B: schon.
B: des fleyschs tods.
o Erg. B: und creutz.
p Erg. B: sie.
q A 2, B: fühle.
166 Zuvor.
167 Vgl. Mk 10,45.
168 Stoppeln.
169 Auch.
170 Gereinigt, s. oben Anm. 92.
171 Vgl. 1Kor 3,11.
172 Die Formulierung vom letsten quadranten bezieht sich
auf Mt 5,26, wo es in der Vulgata heißt: Amen, dico, tibi
non exies [carcere] inde donec reddas novissimum
quadrantem (letzter Heller).
solte. Die bedencke ich fast uff maß und weiß, wie
wirp singen175. Da pflege ich das am fürnemsten zu
bedencken, darinn ich am nechsten gefelet hab.
Unnd nach vergleichung meins hertzen und gemüts
sihe und erfindq ich, das ich auß meynen krefften nit
thun und lassen mag, wie mir zu thun und lassen
befolhen ist, mein natur ist darwider176.
Frag: Dise erkantnuß deyn selbs ist von nöten.
Bistu aber da mit zu friden?
173 Angeführt hat, s. FWb 1, Sp. 1615f. (s.v. anziehen 12).
174 Eingerichtet, s. FWb 1, Sp. 1401.
175 Vgl. AWA 4, Nr. 1, S. 149-153 und die Erläuterungen
ebd., S. 55f. Hiernach hat das Anfang 1524 von Luther
gedichtete Lied „Die zehen gebot Gottes“ sehr früh ei-
nen festen Platz im Straßburger Gottesdienst erhalten.
Bereits Ende 1524 bzw. Anfang 1525 erschien das Lied
mit einer neuen Melodie des Organisten der Thomaskir-
che Wolfgang Dachstein im zweiten Teil des von Wolf-
gang Köpfel gedruckten „Teutsch Kirchenamt“. Die
Melodie Dachsteins wurde später von Calvin für sein
Zehngebotelied „Oyons la loi que de sa voix“ verwendet.
176 Vgl. Eph 2,3.
195
Frag.: Es muß doch vorhin166 für die sünd gnug be-
schehen.
Ant.: Christus ist unser gnug thun, heiligung und
erlösung, er hat sich zur bezalung für unser sünd
geben167, unnd alle welt vermag nichts zur gnug-
thuung zu thun, Christus hat die volkomen erlö-
sungm funden.
Frag.: Paulus, sagen sy, gesteet das fegfeür, dan et-
lich bauwen auff Christum holtz, hew und stupf-
feln168. Der tag des Herren würt es offenbar machen.
Und welcherley eins yeglichen werck sey, das würt
durchs feür bewert. Er würt schaden leiden, er selbs
aber würt selig werden, so doch als durchs feür,
1. Co. 3 [12-13.15]. Hie wöl- jd 7v| len sy das fegfeür
mit gewalt erhalten haben.
Ant.: Paulus redt nit vom stand der zukünfftigen
welt, wie sy in verstan wöllen, sonder von der leer
des lebens, so auff Christum gebauwen würt. Dise,
so si neben dem wort und169 auß menschen radt-
schleg auffgebauwen, würt durchs feür der anfech-
tung zur zeyt der nöten und ndes todtsn schaden ley-
den, Aber er würt selig, sytemal sein grund Christus
ist, aber durchs feüro außgebutzt17O und auff den
reynen grundt, auff Christum171, widerbracht. Das
belangt nit das fegfeur. Der gestalt andere parabo-
len und gleychnussen als vom letsten quadran-
ten172 und dergleichen mögen nit weyters beweren,
dan sy der Herr angezogen hat173.
Frag.: Warum sprichstu zu letst Amen?
Ant.: Diß wörtlin ist ein befestigung, damit ich auß
hertzen und mit rechtem glauben begere das ewig
leben allen erwelten. Das wölle unser Gott und Vat-
ter uns allen geben, Amen.
[4.1 Wie eins Christlichen kinds leben angericht sein soll
Frag: Wie hastu dein leben angeschickt174?
Ant.: Ich kans nit wol sagen, aber wie ich |d 8r| un-
derricht bin zu leben, das wil ich anzeigen.
Frag: Sag her, so ferr es Christlich ordnung belangt,
dan sunst wissen die eltern ire kind in eussern leben
yedes seyner gelegenheyt nach wol an zurichten.
Ant.: Morgens solle ich bedencken, was ich thun
und lassen sol. Das erinner ich mich auß den Zehen
gebotten, welche mir anzeygen, wie mein leben sein
m Erg. B: schon.
B: des fleyschs tods.
o Erg. B: und creutz.
p Erg. B: sie.
q A 2, B: fühle.
166 Zuvor.
167 Vgl. Mk 10,45.
168 Stoppeln.
169 Auch.
170 Gereinigt, s. oben Anm. 92.
171 Vgl. 1Kor 3,11.
172 Die Formulierung vom letsten quadranten bezieht sich
auf Mt 5,26, wo es in der Vulgata heißt: Amen, dico, tibi
non exies [carcere] inde donec reddas novissimum
quadrantem (letzter Heller).
solte. Die bedencke ich fast uff maß und weiß, wie
wirp singen175. Da pflege ich das am fürnemsten zu
bedencken, darinn ich am nechsten gefelet hab.
Unnd nach vergleichung meins hertzen und gemüts
sihe und erfindq ich, das ich auß meynen krefften nit
thun und lassen mag, wie mir zu thun und lassen
befolhen ist, mein natur ist darwider176.
Frag: Dise erkantnuß deyn selbs ist von nöten.
Bistu aber da mit zu friden?
173 Angeführt hat, s. FWb 1, Sp. 1615f. (s.v. anziehen 12).
174 Eingerichtet, s. FWb 1, Sp. 1401.
175 Vgl. AWA 4, Nr. 1, S. 149-153 und die Erläuterungen
ebd., S. 55f. Hiernach hat das Anfang 1524 von Luther
gedichtete Lied „Die zehen gebot Gottes“ sehr früh ei-
nen festen Platz im Straßburger Gottesdienst erhalten.
Bereits Ende 1524 bzw. Anfang 1525 erschien das Lied
mit einer neuen Melodie des Organisten der Thomaskir-
che Wolfgang Dachstein im zweiten Teil des von Wolf-
gang Köpfel gedruckten „Teutsch Kirchenamt“. Die
Melodie Dachsteins wurde später von Calvin für sein
Zehngebotelied „Oyons la loi que de sa voix“ verwendet.
176 Vgl. Eph 2,3.
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