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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0266
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Mülhausen

Vom zutrincken8
Unnd als leyder solche unnchristliche lesterung und
schwüer, Auch andere schwere sündt, der meeren-
theil uß der trunckenheit unnd vortheiligem9 spyl
entspringen, Soll hinfürther niemandts dem andern
zu- oder voltrincken, weder vyl noch wenig, heim-
lich noch öffentlichen, Es sey mit manen, wincken,
teüten10, In welcherley gestalt das geschehen kan
oder die hertzen der menschen das erdencken
mögen. Welcher aber denn andern zum zutrincken
reytzt, der nächst, so diß übel sicht, sol den warnen.
Wo dan yemandts solche brüderliche warnung ver-
achten wurde, des soll nit verschondt, sonder, so offt
er zutrinckt, ein pfundt pfening zur besserung by
der selbigen tagzeit11 zubezalen oder zur Statt hinuß
gewysen und nit härin gelossen werden, er hab dan
solche besserung abgericht12.
Wo sich auch ein Burger, hinderseß oder burgers
sune, hie oder anderswo, mit wyn der massen über-
laden wurde, uff der gassen gieng schwancken oder
sonst hielte, das man sein völly und trunckenheit
spüren möchte, soll gefencklichen angenommen und
zwen tag und zwo nächt im zuchthußlin mit wasser
und brott erhalten werden.
Spyls halben
Und wiewol hievor das spylen auch gantz und gar
verbotten gewesen, ist doch biß här mit wetten,
auch anderen geschwinden13 sünden und lysten von
ettlichen üppigen, lychtfertigen gemüttern vyl ge-
var gebrucht worden. Was die aber sein genos-
sen14, lygt leyder am tag, Also15, das die selbigen,
auch ire arm wyb und kinder doheimen ann täg-

licher notwendiger lybs narung mangel lyden und
entlichen am bettelstab gebrocht. Deß halben, wel-
cher burger, hinderseß, ire sun oder kinder, Deß gli-
chen die dienstknecht, dwil sy hie dienen, hinfür all-
hie in- oder ußwendig der Statt umb heller pfening
gelt oder gelts werdt spylt oder gevorlicher wyß dar-
umb wettet, der sol des erstmolen ein pfundt und
zum andern molen zwey pfundt by der selbigen tag-
zeit, on alle gnad, verbesseren oder der stat so lang,
bis er das erleit16, verwyssen werden.
Und domit man nit möge erachten, daß diß ge-
bott eintzig vonn geltzwegen uff gesetzt, Derwegen,
welcher sich noch dem ersten und andern molen im
spylen übersehen wirt, sol fürthin kein gelt stroff
mer von ime genommen, sonder, so offt einer dem-
noch spylt, wöllent wir denn selbigen allwegen für
die besserung vier tag und nacht in Walcken
thurn17 legen und mit wasser und brot spyßen lon.
Deßglichen sollend alle wirt oder stubenknecht,
Auch alle burger und hindersessen, in dern heüssern
man spylen lodt, gehalten und gestrofft werden.
Unmässigs zeren
Und uff das auch alle überflyssigkeit und unmoß
desterweniger stat haben mög, So soll hinfür kein
wirt noch stubenknecht keinem burger, hinderses-
sen, noch der deren süne, mer dan tags ein zimliche,
erbarliche obenürten und schlafftrunck, darin auch
weder brotiß18, fleisch, visch noch gallery19, geben,
doch das alwegen vor den dryen und zenacht vor
neunen der tisch sampt dem wyn uffgehebt sey. Und
wöllen hiemit alle nochürten, türen zeren und
schwetzmäßlin20, wie dis bißhär noch der ürten ge-
brucht und fürthin, mit was scheins das were, zu

8 Zum Zutrinken vgl. die Erläuterung unter Nr. 2,
Anm. 6.
9 Falschem, betrügerischem, s. Grimm, DWb 26,
Sp. 1741 und 1743.
10 Durch Zeichen geben, s. Idiotikon 13, Sp. 2093f.; Wb. d.
elsäss. Mundarten 2, S. 730.
11 Vgl. die Erläuterung unter Nr. 13, Anm. 20.
12 Entrichtet, bezahlt, s. FWb 1, Sp. 292f.
13 Geschwind ist hier im Sinne von „schlau“ bzw. „pfiffig“
gebraucht, s. FWb 6, Sp. 1403-1405.

14 Hier wohl im Sinne von: für Folgen haben.
15 Nämlich, s. FWb 1, Sp. 856.
16 Bezahlt, s. Lexer 1, Sp. 648, Adelung 1, Sp. 1916
(s.v. erlegen).
17 Vgl. Nr. 11, Anm. 50.
18 Etwas aus Brot, s. Idiotikon 5, Sp. 991.
19 Sülze, der verschiedensten Art, s. FWb 6, Sp. 56f. (s.v.
galreide).
20 Vgl. dazu die Erläuterungen unter Nr. 16, Anm. 28 und
29.

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