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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0059
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Einleitung

Erbfolgekrieg militärisch zu. Wilhelm V. kapitulierte. Er musste Geldern im Vertrag von Venlo am 7. Sep-
tember 1543 abtreten und sich darüber hinaus verpflichten, den alten Glauben in seinem Herrschaftsgebiet
zu bewahren und Neuerungen zu unterbinden.82
Wilhelm lehnte sich in den folgenden Jahren noch stärker an Habsburg an, indem er 1546 Maria von
Österreich, eine Tochter König Ferdinands und Nichte Karls V., heiratete. Die im Vertrag von Venlo und in
dieser Eheschließung zum Ausdruck kommende Nähe zum Kaiser war auch eine Ursache dafür, dass sich
die Klever Kirchenpolitik nicht grundsätzlich von der römischen Amtskirche entfernen konnte, sollte die
herzogliche Machtfülle nicht gefährdet werden. Diese offizielle Linie des Herzogs stand möglicherweise im
Gegensatz zu seiner persönlichen Haltung, da er seit Ostern 1543 das Abendmahl unter beiderlei Gestalt
nahm83 und seine aus der Ehe mit Maria hervorgegangenen Töchter Sybilla und Magdalena lutherisch
erziehen ließ.84
Nach dem Schmalkaldischen Krieg, in dem Herzog Wilhelm V. Neutralität bewahrt hatte, stellte sich
die Frage, inwiefern die Beschlüsse des Augsburger Reichstags von 1547/48 auch in den Vereinigten Her-
zogtümern galten. Da das Land zu den altgläubigen Reichsständen zählte, konnte das für die evangelischen
konzipierte Interim nicht generell zur Anwendung gebracht werden. Am 4. Juli 1548 machte der Kaiser dem
Herzog Vorhaltungen, dass er der Entstehung evangelischer Gemeinden in seinem Territorium tatenlos
zugesehen habe, und forderte ihn zur Durchsetzung des Interims in den evangelischen Landesteilen auf. Der
Herzog versicherte dem Kaiser, alle Neuerungen - vornehmlich in Wesel und Soest - beseitigen zu las-
sen85 und wies im Oktober 1549 den Landdechanten in Jülich und die diesem unterstellten Pfarrer an, das
„interim und daruf gefolgte keiserliche reformation“ durchzusetzen.86
4. Mandat gegen Prozessionen 8. April 1554 (Text S. 77)
Prozessionen gehörten zu den Zeremonien, die in den Vereinigten Herzogtümern bereits vor der Reforma-
tion obrigkeitlich reglementiert worden waren, um einem zu stark verdinglichten Heiligenkult entgegen-
zuwirken.87 In der Kirchenordnung vom 3. Juli 1525 (Nr. 1) war angeordnet worden, niemanden zu Heili-
genumgängen zu drängen, nach der Deklaration von 1533 (Nr. 2c) sollten diese ohne großen Prunk statt-
finden, und am 26. Juni 1546 untersagte Wilhelm V. sie schließlich generell und hielt die Gläubigen an,
stattdessen die Bittgottesdienste zu besuchen.88 1554 schärfte er dieses Verbot erneut ein (Nr. 4), ausge-
nommen waren nur Gänge um den Kirchhof.
Die Anweisung von 1554, die den Andachtscharakter der Prozessionen hervorheben sollte, und die den
Bestimmungen des Kölner Provinzialkonzils von 1536 entsprach,89 diente dem Klever Herzog auch dazu,

82 Lacomblet, Urkundenbuch 4, Nr. 547. Vgl. Janssen,
Wilhelm, Der Länderverbund Jülich-Berg-Kleve-
Mark-Ravensberg im geldrischen Erbfolgestreit
1537-1543, in: Verdrag en Tractaat van Venlo, Herden-
kingsbundel 1543-1993 (Werken Gelre Nr. 43), Hilversum
1993, S. 13-40; Becker, Duldung, S. 165-197; Janssen,
Vereinigte Herzogtümer, S. 19-25; Szameitat, Heres-
bach, S. 119-125; Smolinsky, Jülich-Kleve-Berg, S. 94;
ders., Kirche in Jülich-Kleve-Berg, S. 108; Schulte,
Neutralität, S. 60-71, 76-81; Schröer, Reformation 1,
S. 236f.; Redlich, Staat und Kirche, S. 57-61; Ehren-
preis, Vereinigte Herzogtümer, S. 246; Finger, Refor-
mation, S. 27, 68-71; Müller, Reformation, S. 52-55.
83 Becker, Duldung, S. 201; Luttenberger, Glaubens-
einheit, S. 121 Anm. 103, 492; Franzen, Kelchbewe-
gung, S. 57-59, 66 Flüchter, Zölibat, S. 187.
84 Vgl. Ehrenpreis, Reform, S. 293 Anm. 11.

85 Von Below, Landtagsakten I, Nr. 194f. Vgl. Franzen,
Kelchbewegung, S. 55-57; Smolinsky, Jülich-Kleve-
Berg, S. 95f.
86 Redlich, Jülich-Bergische Kirchenpolitik I, Nr. 299.
Vgl. ders., Staat und Kirche, S. 76; Becker, Duldung,
S. 231-246; Smolinsky, Kirchenordnungen, S. 65f.
87 Schon 1516 war Herzog Johann III. gegen prunkvolle
Prozessionen vorgegangen, Janssen, Kleve-Mark-Jülich-
Berg-Ravensberg, S. 37; ders., Gute Ordnung, S. 38; Mo-
litor, Mehr mit den Augen, S. 93; Finger, Kirche am
Niederrhein, S. 252; Stöve, Via media, S. 117; Redlich,
Staat und Kirche, S. 17f.
88 Berg, Reformationsgeschichte, S. 105. Vgl. Finger,
Kirche am Niederrhein, S. 252; Molitor, Mehr mit den
Augen, S. 93.
89 Die Beschlüsse des Provinzialkonzils druckt Deckers,
Hermann von Wied, S. 187-211. Vgl. Franzen, Au-

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