Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0060
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg

die Katholizität, die bei Prozessionen in besonderer Weise ins öffentliche Bewusstsein drang, zurückzuhal-
ten und somit den Protestanten ein deutlich sichtbares Zeichen der Verständigung zu geben.
Prozessionen blieben auch in den folgenden Jahren ein Thema herzoglicher Regelungen. Bereits am
16. Juli 1556 erließ Wilhelm V. ein Mandat, in dem er erneut einschärfte, Missbräuche bei Heiligenumgän-
gen zu unterlassen.90 Ein weiteres Mandat vom 19. Mai 1567 regelte, dass bei Fronleichnamsprozessionen,
die offenbar uneingeschränkt durchgeführt wurden, das Sakrament nicht in einer Monstranz mitzuführen
sei, da dies zu sehr der äußeren Prachtentfaltung diene.91

5. Armenordnung 10. Oktober 1554 (Text S. 78)
Vor dem Hintergrund der seit Ende des 15. Jahrhunderts europaweit steigenden Zahl von Bettlern wurde
die Bekämpfung der Armut für viele evangelische Landesherren zu einem Handlungsfeld reformatorischer
Neuordnung. Sie nahmen grundlegende Veränderungen im Umgang mit dem Armutsproblem vor, indem sie
„gemeine Kästen“ einrichteten, in denen Gelder verschiedener Provenienz zusammenflossen und aus denen
die Bedürftigen unterhalten wurden.
Bereits in der Kirchenordnung von 1525 (Nr. 1) war das Betteln auf den Straßen untersagt worden.
Eine reglementierte Armenfürsorge bestand zu dieser Zeit jedoch noch nicht, erste Schritte in diese Rich-
tung unternahm Wilhelm V. am 5. Oktober 1546 mit einer Armenordnung.92 Im Oktober 1554 erließ er
dann ein vierteiliges Ordnungswerk, das neben einer Täufer-, einer Wirtshaus- und einer Wegeordnung auch
eine Armenordnung umfasste.93 Hiernach sollten in jedem Kirchspiel zwei bis drei Armenprovisoren einge-
setzt werden, die in den Kirchen Almosen sammelten. Bettler - insbesondere fremde - wurden nur nach
Vorlage eines Bettelscheins geduldet.94
6. Abendmahlsmandat [um 1558] (Text S. 81)
Das Augsburger Interim von 1548 hatte die Priesterehe und den Laienkelch als Zugeständnisse an die
Protestanten zugelassen,95 und Herzog Wilhelm V. war nicht nur aus persönlichen, sondern auch aus Grün-
den der Integration evangelischer Forderungen daran gelegen, das Abendmahl unter beiderlei Gestalt frei-
zugeben. Am 7. August 1548 sandte er seinem Kanzler Johannes Gogreve eine Denkschrift, in der er
detaillierte Überlegungen zu dieser Frage anstellte,96 zumal die 1550 durchgeführte Visitation97 erbracht

gust, Das Kölner Provinzialkonzil von 1536 im Spiegel
der Reformationsgeschichte, in: Groner, Franz (Hg.), Die
Kirche im Wandel der Zeit. Festgabe seiner Eminenz dem
Hochwürdigsten Herrn Joseph Kardinal Höffner Erzbi-
schof von Köln zur Vollendung des 65. Lebensjahres am
24. Dez. 1971, Köln 1971, S. 95-110; Finger, Reforma-
tion, S. 79-83; Flüchter, Zölibat, S. 176-179; Kloo-
sterhuis, Erasmusjünger, S. 365.
90 Keller, Gegenreformation 1, Nr. 1. Vgl. Redlich,
Staat und Kirche, S. 91; Arand, Heresbach, S. 39.
91 Keller, Gegenreformation 1, Nr. 53. Vgl. Ehrenpreis,
Vereinigte Herzogtümer, S. 253; Molitor, Mehr mit den
Augen, S. 89-95.
92 Scotti, Sammlung ... Jülich ... Berg 1, Nr. 42.
93 Scotti, Sammlung ... Cleve ... Mark 1, Nr. 51-54; vgl.
Ludyga, Armenfürsorge, S. 267; Schulte, Neutralität,
S. 205; Brämik, Verfassung, S. 29 Anm. 96. Die Täufer-
ordnung wird hier nicht abgedruckt, da sie dem Mandat
von 1534 (Nr. 3a) nahezu wörtlich entspricht. Lediglich
der dezidierte Hinweis auf die Täufer aus Münster wurde

fallen gelassen und der Verweis auf die Reichspolizeiord-
nung von 1530 durch den auf diejenige von 1548 ersetzt.
Die Täuferordnung wurde in die Klever Polizeiordnung
vom 23. Juni 1558 aufgenommen, Kunkel, Polizei- und
Landesordnungen, S. 330-339. Vgl. Goeters, Rolle,
S. 86; Janssen, Statuten, S. 293f.; ders., Neue Wege,
S. 138, 140f.; ders., Vereinigte Herzogtümer, S. 26; ders.,
Kleve-Mark-Jülich-Berg-Ravensberg, S. 25f.; Ehren-
preis, Vereinigte Herzogtümer, S. 249; Kloosterhuis,
Erasmusjünger, S. 352-355; Rissmann, Verhältnis,
S. 8-10.
94 Zum Inhalt siehe auch Ludyga, Armenfürsorge,
S. 267-270; Rissmann, Verhältnis, S. 20-23.
95 DRTA.JR 18/2, S. 1947. Vgl. Mehlhausen, Augsburger
Interim, S. 134, 142.
96 Abdruck in Redlich, Jülich-Bergische Kirchenpolitik I,
Nr. 292. Vgl. Luttenberger, Glaubenseinheit, S. 490;
Franzen, Kelchbewegung, S. 58.
97 Redlich, Jülich-Bergische Kirchenpolitik II/1, Nr. 3.
Vgl. ders., Staat und Kirche, S. 77-83; Schulte, Neu-

42
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften