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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0313
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Einleitung

Mit Ausnahme von Lemgo wurde die Kirchenordnung in der gesamten Grafschaft Lippe einge-
führt.119 Die Hansestadt konnte die Annahme erfolgreich verweigern, hier blieb man weiterhin bei der 1533
übernommenen Braunschweiger Kirchenordnung120 und deren Ergänzung von 1537 (Nr. 1).
Unserer Edition liegt der Druck im Archiv der Lippischen Landeskirche Detmold zugrunde. Da in
diesem Exemplar einige Seiten fehlen, wurden die entsprechenden Abschnitte aus demjenigen in der Lan-
desbibliothek Detmold ergänzt.

7. Visitations-, Konsistorial- und Ehegerichtsordnung 15. Oktober 1600 (Text S. 462)
Graf Simon VI. zur Lippe hatte 1579 die eigenständige Regierung in der Grafschaft angetreten und damit
die Vormundschaftsregierung abgelöst. In seiner persönlichen Glaubensüberzeugung scheint der Graf der
Theologie Johannes Calvins nahegestanden zu haben, er unternahm jedoch zu dieser Zeit noch keine Anstal-
ten, einen Bekenntniswechsel in der Grafschaft herbeizuführen.121 Auch die am 15. Oktober 1600 erlassene
Visitations-, Konsistorial- und Ehegerichtsordnung (Nr. 7) lässt noch keine reformierten Tendenzen erken-
nen.
Die Ordnung wurde von Superintendent Heinrich Dreckmeier (1599-1618) verfasst, der nach dem Tod
Johanns von Exter 1599 dessen Nachfolger geworden war.122 Sie regelt zunächst das Visitationswesen, zu
dem auch eine Neustrukturierung der Superintendentursprengel gehörte. Bereits bei der Visitation, die
Antonius Corvinus 1542 durchgeführt hatte, war die Grafschaft in die Sprengel Lemgo, Horn und Blomberg
eingeteilt worden.123 Mit der Visitation, die 1566 ausgeschrieben worden war (vgl. Nr. 5), wurden der
Superintendent und vier weitere Geistliche beauftragt. Die lippische Kirchenordnung von 1571 (Nr. 6)
forderte mindestens zwei Visitationen im Jahr. Dieses Arbeitspensum war von einem einzigen Superinten-
denten und einem ad hoc berufenen Gremium nicht zu leisten. Nach dem Tod Johanns von Exter struk-
turierte Simon VI. die geistliche Verwaltung daher neu und installierte drei Superintendenten: Einer hatte
seinen Sitz in Detmold, er war für die Ämter Detmold, Falkenberg, Horn und Lipperode zuständig, hier
amtierte Heinrich Dreckmeier. Der zweite Superintendent - Johannes Happenus (1604-1618) - residierte in
Lemgo und visitierte die Ämter Varenholz und Sternberg. Der dritte - Heinrich Plessmann (1602-1638) -
saß am gräflichen Hof in Brake und war für die Ämter Brake, Blomberg und Schwalenberg zuständig.124
Für die praktische Durchführung der Visitationen gab die Ordnung den Superintendenten Fragenka-
taloge für die geistlichen und weltlichen Amtsinhaber an die Hand. Im Anschluss an die Erhebung kamen
die Superintendenten im Konsistorium zusammen und berieten die vorgefundenen Mängel.125 Neben dem
Ablauf der Visitationen schildert die Ordnung detailliert den Ablauf der Ehegerichtsprozesse.
Obwohl man davon ausgehen kann, dass sich Graf Simon VI. um 1600 der reformierten Theologie
geöffnet hatte und entsprechende Veränderungen des Kirchenwesens seines Landes plante, und obwohl der
Entwurf der Visitations-, Konsistorial- und Ehegerichtsordnung den führenden Theologen der Kurpfalz zur
Begutachtung vorlegt worden sein soll,126 trägt die Ordnung selbst keine reformierten Züge,127 sie verweist
vielmehr auf die lippische Kirchenordnung von 1571 (Nr. 6), zu der sie eine inhaltliche Ergänzung dar-
stellt.128

119 Schilling, Konfessionskonflikt, S. 118.
120 Abdruck in Sehling, EKO VI/1, S. 348-455.
121 Haase, Allerhand Erneuerung, S. 68f.; Schilling, Kon-
fessionskonflikt, S. 158-176; Vajen, Anerkennung,
S. 28-30.
122 Heinrich Dreckmeier hatte in Marburg studiert und war
vor seiner Tätigkeit als Superintendent Pfarrer an St. Ni-
colai in Lemgo gewesen, Haase, Reformieren, S. 44;
Butterweck, Geschichte, S. 266f.
123 Siehe oben, Einleitung zu Nr. 3. Vgl. Confessio Augu-

stana. Die Reformation in Lippe, S. 51f.; Falkmann,
Beiträge 5, S. 357.
124 Haase, Übergang, S. 16; ders., Reformieren, S. 44f.;
Schröer, Reformation 1, S. 467f.
125 Schilling, Konfessionskonflikt, S. 177f.; Haase, Aller-
hand Erneuerung, S. 69-73.
126 Schilling, Konfessionskonflikt, S. 178f.
127 Dieser wurde ihr jedoch von Neuser, Einführung, S. 67
und Schilling, Konfessionskonflikt, S. 176f. zugeschrie-
ben.

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