Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0115
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kirchenordnung 1569

zum andern den glauben, der im evangelio
sucht und ergreift vergebung der sünden auß
gnaden umb Christus willen, zum dritten die
früchte der busse, das ist den anfang eines
neuen lebens oder neuen gehorsams. Und uber
solcher abtheilung oder erzelung der stücken
der busse sollen die prediger kein unnötig ge-
zenk anrichten, sondern folgen, wie die apo-
logia fein bescheidenlich redet 39. Wenn in der
lehr von der busse zu der reu und zu dem
glauben mit gezelet und gerechnet wird der neu
gehorsam, das wöllen wir nicht groß fechten,
allein das de rebus ipsis fein underscheidenlich
geleret werde, nemlich, das zu der göttlichen
traurigkeit, welche zur seligkeit wirket eine reu,
die niemand gereuet, 2. Cor. 7 [10], gehören zwey
stück, contritio et fides, reu und glauben, der
neue gehorsam aber gehöret nicht darzu. Und
dahin, wenn die frage ist, wie und wadurch man
erlangen möge vergebung der sünden und die
seligkeit, sondern wenn erstlich durch den glau-
ben die sünde vergeben ist, alßdann folgen die
früchte in guten werken, so Gott gebotten, und
im leiden des kreuzes, so Gott dem alten Adam
auflegt, wie auch das ein schedlicher irrthumb
ist, das man im babsthumb lehret, das die leute
mit ihrer reu und leid gnad verdienen 40, sondern
die reu muß vorher gehen; denn die kranken
und nicht die gesunden dürfen des arzten, Matth.
9 [12]. Die gnad aber, vergebung der sünden und
das ewig leben hat allein Christus verdienet
und wird allein durch den glauben ergriffen
und angenomen, und darnach, darauf und dar-
auß folgen dann gute früchte, das also die drei-
erley, busse, glauben und neuer gehorsam, in
warhaftiger erklerung des menschen sein und
gelehret müssen werden; denn wo keine busse
ist, do kan auch kein rechtschaffener glaube
sein, und do keine gute früchte folgen, ists ein
gewisse anzeigung, das wedder warhaftige busse
noch rechtschaffener glaube da sey. Es müssen
aber gleichwol auch die dreierley mit gebürli-
chem underscheid gelehret werden, welchs vor-

39 Art. XII, 1.28 ff. 91.131. 174. Bek. Schr. S. 252,
257 ff., 271, 279, 290.

gehe, welchs nochfolge, welchs eines jeden ampt
und eigentschaft sey, und furnemlich, welchs
das mittel sey, dardurch vergebung der sünden,
so durch Christum verdienet und erworben ist,
erlanget, ergriffen und angenomen werde.

Diese lehre wird gründlich und nach der lenge
gehandelt in der apologia im 12. artickel 41, do-
hin und darauf wir uns auch referiren. Weil
aber viel daran gelegen und von unverstendigen
predigern oft mit grosser unbescheidenheit da-
von geredt wird, haben wir diese kurze erinne-
rung hieher setzen wöllen zur einfeltigen an-
leitung, wie mit gebürlicher bescheidenheit zur
erbauung die lehre von rechtschaffener seliger
busse dem einfeltigem volke möge fürgetragen
werden.

Und weil fast die ganze summa der christ-
lichen lehre in diesen stücken begriffen wird,
sollen die prediger sich befleissigen, das sie
nicht in gemein hin predigen, sondern allwege
die materiam auf dieser stücke eins richten: von
der sünde, von Gottes zorn und straff der sünde,
von reu, leid, angst des gewissens etc., vom vor-
satz, von der sünde abzulassen und dieselbige
zu meiden, von Christi person, von seinem ampt
und verdienst, von Gottes gnaden, vergebung
der sünden, von gleuben, von guten früchten
des glaubens, als von gutem vorsatz zur besse-
rung, von guten werken, von gedult im leiden
etc., das also in den predigten bey der lehre
allwege sey applicatio seu accommodatio ad
usum, wie die lehre besserlich soll gebraucht
werden.

Weil auch nothwendig die bepstische lehre von
der busse wird müssen gestrafft und wiederlegt
werden, sollen die prediger sich fleissig hüten,
das es ja nicht geschehe mit solcher unbeschei-
denheit, als wer nun gar keiner busse von nöten.
Und weil rohe, sichere leute es sonst so ein-
nemen möchten, sollen die prediger allzeit, wenn
sie hievon reden wöllen, sich wol verwaren, das
es in keinem wege die meinung habe, als dürfte
man keiner busse; denn Christus spricht: Thut

40 Vgl. Trident. Sess. XIV, cap. 4. Denzinger 898.

41 Bek. Schr. S. 252 — 291.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften