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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0117
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Kirchenordnung 1569

Diese lehre aber wird außführlich gehandelt
im 12. artickel in confessione 51 et apologia 52.
Und sollen die prediger dieselbige nicht schlechts
obiter in gemeine hin erzelen, sondern ad usum
accommodiren, den nutz und brauch weisen,
also das die leute fein sich selbs nach der lehre
Pauli, 2. Corinth. 13 [5], probieren lehrnen, ob sie
ein bußfertiges herz haben oder nicht, ob sie
im glauben seind oder nicht, ob ein anfang des
neuen gehorsams bey ihnen sey oder nicht.
Und dasselbige kan aufs aller einfeltigeste per
antithesin geschehen, als wer nicht weiß, noch
lernet, auch nicht gedenket, noch sich damit
bekümmert, ob sein leben sünde oder nicht
sünde sey, ob Gott darüber zürne oder nicht,
und do ers gleich auß Gottes wort höret und
weiß, dennoch entweder die sünde vertheidiget,
entschüldigt und gering achtet oder an der be-
drauung des göttlichen zorns sich nicht keret,
sondern sicher und ohn furcht Gottes in sünden
bleibet, darin furtfehret und der mehr machet
ohne ernstem fursatz, von sünden abzulassen und
hinfuro zu meiden, derselbige soll wissen, das
er keine buße habe, sondern das er auf seinem
gewissen trage das schwere urtheil Gotts, wel-
ches beschrieben wird Lu. 13 [3 — 5]; Ro. 2 [3],
Das aber ist ein bußfertigs herz, das auß Got-
tes worte bedenket, wie ein schwerer, grosser
greuel die sünde für Gottes gericht sey, und zu
gemüth und herzen füret, wie ein schweres ge-
richt Gottes es durch die sünde uber sich
gefüret hat, das also dadurch das herze getrof-
fen und gerüret wird, das es nicht mehr lust,
lieb und freud zur sünde hat, sondern ist ihm
leid, fürchtet sich, ist ihm angst und bange, das
es nicht ewig möcht verdampt und verloren
werden, darauß dann volget ein ernster fursatz,
von der sünde abzulassen und die hinfuro zu
meiden, item ein herzliches beger und verlangen,
das er möchte der sünde, Gotts zorns und der
verdamnuß loß und ledig werden. Das ist recht-
schaffene, wahre busse in sünden, so wieders
gewissen sind; denn sonst müssen auch alle

51 Bek. Schr. S. 64 f.

52 Bek. Schr. S. 252 — 291.

Christen in diesem leben sich für sünder er-
kennen, wieder die sünde, so in ihrem fleisch
wonet, streiten und umb derselbigen vergebung
bitten. Auf die einfeltige weise kan der gemeine
man die lehre von der busse nicht allein gründ-
lich verstehen, sondern auch in christlicher teg-
licher ubung zum brauch bringen.

Also auch soll vom glauben nicht in gemein hin
allein geprediget werden, sondern die lehre ad
usum accommodirt werden, das ein jeder sich
selber probiren lerne, ob er im glauben sey
oder nicht; denn wer darauf nicht denkt und
damit sich nicht bekümmert, ob Gott sein freund
oder feind sey, der hat keinen glauben. Item,
wer allein die artickel des glaubens in genere
für wahr helt, der hat darumb noch nicht den
wahren seligmachenden glauben; denn auch die
teufel gleuben, das ein Gott sey, Jacob. 2 [19],
Item, wer von Gottes gnaden und von Christo
viel gedenket und redet und das dahin richtet,
das er frey möge in sünden bleiben, furtfahren
und dieselbige mehren, der hat keinen recht-
schaffenen, seligmachenden glauben; denn des
wahren glaubens arth und eigentschaft ist, wie
er der sünde möge loss und ledig werden, nicht,
wie er derselbigen mehr möge machen. So ist
auch ein solcher epicurischer wahn 53 kein rech-
ter glaube, wenn der gottlose ihm diß einbildet,
weil Christus gestorben und Gott gnedig ist,
so frage er nach keiner sünde, zürne nicht mehr
darüber, sondern er sey es woll zufrieden, wenn
man gleich die sünde heufet, und könne der
mensch woll Gottes kind sein und selig werden,
wenn er gleich ohne busse in sünden verharret.
Diß ist kein glaube, sondern seind gottlose,
teufelische gedanken. Das aber ist die rechte
proba eines wahren, seligmachenden glaubens,
wenn das herz seine sünde und Gottes zorn er-
kennet, wolte aber nicht gerne darunter ewig-
lich bleiben und verderben, sondern hat herz-
lichs beger und verlangen, das es davon möcht
ledig werden,' gnad erlangen, vergebung der
sünden und ewigs leben uberkomen. Wen do der

53 Vgl. Bek. Schr. S. 942, Z. 37; S. S47, Z. 12.

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