Calenberg-Göttingen
9. Reformation und Ordnung
des Stifts Wunstorf von Herzog Heinrich Julius.
1598.1
Von Gottes gnaden Wir, Heinrich Julius,
postulirter bischoff des stifts Halberstadt2 und
herzog zu Braunschweig und Lueneburgk etc.,
bekennen und thuen jedermenniglich hiemit zu
wissen, nachdem sich in jungster, anno 1588 in
unserm calenbergischen furstenthumb gehaltenen
generalvisitation befunden, auch in dero davon
geschehenen relation weiland dem hochgebornen
fursten, herrn Julio, herzogen zu Braunschweig
und Lueneburgk etc., unserm geliebten herrn
vatem, als dohmals regierenden landsfursten,
auch uns, die wir jetzberurter relation in der
persohn mit beigewohnet, selbst vorgebracht
und zu gemuth gefuhret worden, wellicher ge-
stalt unser stift Wunstorff3 ein geraume zeit
hero jemmerlich zerrissen, profaniret und darin
also gebahret und hausgehalten sey, das es
fast zum desolat worden, sintemahl der gottes-
dienst, zu welchem diese und alle andere stift
furnemlich fundiret und gewidemet, soviel die
stiftspersonen betrifft, ganz und gar darinnen
gefallen, daniderliege und unterlassen werde,
die stiftsjungfern und canonici zur kirchen nit
kommen, viel weiniger ihre horas oder preces
halten, die capitularn auch daselbst nicht resi-
diren, sondern alle (ausgenommen den seniorn)
an andern örtern, wo es einem jedern gefellig
und gelegen, wohnen und leben und nichtsdesto-
1 Druckvorlage: Kopie aus dem Staatsarchiv
Wolfenbüttel, L Alt Abt. 41, II (Kalenber-
gische Klöster) Wunstorf Nr. 1. Anfang des
17. Jh.s. Vgl. zur Ordnung A. Brenneke — A.
Brauch II, 81 f.
2 Vgl. oben S. 890, Anm. 2.
3 Stift Wunstorf, Diözese Minden, 871 von Bi-
schof Dietrich v. Minden gegründet. Patrone:
Petrus, Cosmas, Damianus. Vom 12. Jh. ab
erscheint es als Kanonissenstift mit angeglie-
derten Kanonikern. — Herzogin Elisabeth
setzte ihre Töchter als Aebtissinnen ein und
verfügte als deren Vormund über die Ein-
weniger die fructus und uffkunften ihrer canoni-
cat und lehen volkömlich uffnehmen und an
andern ortern verzehren und unterdes den got-
tesdienst ganz und gar anstehen und andere,
so an ihrer stadt denselben verrichten, noht-
leiden, den predigstuell, kirchen und schuelen
unversorgt pleiben lassen, die onera, so er-
wentem stift als einem landstande an türken-,
land- und andern steuren, auch an zehrungen
auf landtage und dergleichen obliege und in
mangel gemeiner guetter aus der canonicat
uffkunften pillich genommen und abgetragen
werden, uff die kirch dringen und aus denen
ad fabricam von alters verordenten hebungen
nehmen und was dergleichen unbilligkeiten und
verordnung mehr sind.
Und wir dan als der landsfurst und patron
erwehntes stifts, auch inhaber und verwalter
der ebtey daselbst uns schuldig erkennen, sol-
chen unordnungen und mißbrauchen, auch daher
erfolgeten und vorstehenden abfall und unter-
gang vielgedachtes stifts vorzukommen, den-
selben in esse4 und wolstand wider zu erheben
und erhalten, infurderst aber den gottesdienst
darin wider anzurichten, den predigstuell, kir-
chen- und schuelldiener mit notturftiger unter-
haltung zu versorgen, daß wir demnach uff
vorgehabten reifen raht unsers kanzlers, auch
künfte der Abtei. 1550 übertrug Erich II. die
Aebtissinnenwürde an die kath. Magdalena
v. Columna, bis sich Elisabeth 1553 für ihre
jüngste Tochter wieder in den Besitz der
Abtei setzte. Erich II. zog die Abteigüter
jedoch an sich und vereinigte sie mit seinen
Kammergütern, betrachtete sich auch selbst
als Abt. Ein ev. Prediger stand dem Stift
als Senior vor. Vgl. H. Hoogeweg, a. a. O.
135 f.; J. Chr. Brasen, Geschichte d. freyen
weltl. Stifts Wunstorf, 1815; A. Brenneke 1,
21 ff. 115; 2, 67 ff. 84. 440 ff.
4 = in gutem Zustand.
896
9. Reformation und Ordnung
des Stifts Wunstorf von Herzog Heinrich Julius.
1598.1
Von Gottes gnaden Wir, Heinrich Julius,
postulirter bischoff des stifts Halberstadt2 und
herzog zu Braunschweig und Lueneburgk etc.,
bekennen und thuen jedermenniglich hiemit zu
wissen, nachdem sich in jungster, anno 1588 in
unserm calenbergischen furstenthumb gehaltenen
generalvisitation befunden, auch in dero davon
geschehenen relation weiland dem hochgebornen
fursten, herrn Julio, herzogen zu Braunschweig
und Lueneburgk etc., unserm geliebten herrn
vatem, als dohmals regierenden landsfursten,
auch uns, die wir jetzberurter relation in der
persohn mit beigewohnet, selbst vorgebracht
und zu gemuth gefuhret worden, wellicher ge-
stalt unser stift Wunstorff3 ein geraume zeit
hero jemmerlich zerrissen, profaniret und darin
also gebahret und hausgehalten sey, das es
fast zum desolat worden, sintemahl der gottes-
dienst, zu welchem diese und alle andere stift
furnemlich fundiret und gewidemet, soviel die
stiftspersonen betrifft, ganz und gar darinnen
gefallen, daniderliege und unterlassen werde,
die stiftsjungfern und canonici zur kirchen nit
kommen, viel weiniger ihre horas oder preces
halten, die capitularn auch daselbst nicht resi-
diren, sondern alle (ausgenommen den seniorn)
an andern örtern, wo es einem jedern gefellig
und gelegen, wohnen und leben und nichtsdesto-
1 Druckvorlage: Kopie aus dem Staatsarchiv
Wolfenbüttel, L Alt Abt. 41, II (Kalenber-
gische Klöster) Wunstorf Nr. 1. Anfang des
17. Jh.s. Vgl. zur Ordnung A. Brenneke — A.
Brauch II, 81 f.
2 Vgl. oben S. 890, Anm. 2.
3 Stift Wunstorf, Diözese Minden, 871 von Bi-
schof Dietrich v. Minden gegründet. Patrone:
Petrus, Cosmas, Damianus. Vom 12. Jh. ab
erscheint es als Kanonissenstift mit angeglie-
derten Kanonikern. — Herzogin Elisabeth
setzte ihre Töchter als Aebtissinnen ein und
verfügte als deren Vormund über die Ein-
weniger die fructus und uffkunften ihrer canoni-
cat und lehen volkömlich uffnehmen und an
andern ortern verzehren und unterdes den got-
tesdienst ganz und gar anstehen und andere,
so an ihrer stadt denselben verrichten, noht-
leiden, den predigstuell, kirchen und schuelen
unversorgt pleiben lassen, die onera, so er-
wentem stift als einem landstande an türken-,
land- und andern steuren, auch an zehrungen
auf landtage und dergleichen obliege und in
mangel gemeiner guetter aus der canonicat
uffkunften pillich genommen und abgetragen
werden, uff die kirch dringen und aus denen
ad fabricam von alters verordenten hebungen
nehmen und was dergleichen unbilligkeiten und
verordnung mehr sind.
Und wir dan als der landsfurst und patron
erwehntes stifts, auch inhaber und verwalter
der ebtey daselbst uns schuldig erkennen, sol-
chen unordnungen und mißbrauchen, auch daher
erfolgeten und vorstehenden abfall und unter-
gang vielgedachtes stifts vorzukommen, den-
selben in esse4 und wolstand wider zu erheben
und erhalten, infurderst aber den gottesdienst
darin wider anzurichten, den predigstuell, kir-
chen- und schuelldiener mit notturftiger unter-
haltung zu versorgen, daß wir demnach uff
vorgehabten reifen raht unsers kanzlers, auch
künfte der Abtei. 1550 übertrug Erich II. die
Aebtissinnenwürde an die kath. Magdalena
v. Columna, bis sich Elisabeth 1553 für ihre
jüngste Tochter wieder in den Besitz der
Abtei setzte. Erich II. zog die Abteigüter
jedoch an sich und vereinigte sie mit seinen
Kammergütern, betrachtete sich auch selbst
als Abt. Ein ev. Prediger stand dem Stift
als Senior vor. Vgl. H. Hoogeweg, a. a. O.
135 f.; J. Chr. Brasen, Geschichte d. freyen
weltl. Stifts Wunstorf, 1815; A. Brenneke 1,
21 ff. 115; 2, 67 ff. 84. 440 ff.
4 = in gutem Zustand.
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