Kirchenordnung 1536
18, 6-18] verrichten. Des bapsts recht29a ist allzu
hart mit verbieten und zu gelind zu dispensieren
umb gelt, dazu ist er unser oberkeit nicht, des-
halben wir sein recht in seinem werd lassen.
Aber der keiser ist unser natürlicher herr und
von Gott geordnete oberkeit. Wo sich nu in ehe-
sachen etwas zutregt, das man im keiserlichen
rechte nicht wol entscheiden mag und doch der
sache mus geraten werden, damit nicht grösser
unrat daraus erwachse, wöllen wir nach ver-
mögen unser christlichen freiheit auch das gött-
liche recht Mosi zu hülf nemen, der conscienz
und gemeinem fride deste besser zu raten. Denn
ob uns schon Moses in iudicialibus nicht geboten
und zum rechtsprecher gegeben ist, so ist er
uns dennoch auch nicht verboten. Und kan nie-
mand zweiveln, Moses als ein grosser prophet,
der aus des heiligen Geists eingeben geredt und
geschrieben hat, habe auch wol gewust, was im
ehestand erbar, ehrlich oder unehrlich sey. Denn
er wird gewislich nicht vergebens Deut. 4 [8]
gesprochen haben zum volk Israel: Wo ist so ein
herrlich volk, das so gerechte sitten und gebot
habe, als alle dis gesetz, das ich euch heutes
tags furlege?
Heimliche eheverbindungc, die one wissen und
willen der eltern geschichte30 mit bösen, un-
ordentlichen mitteln, werden wir laut keiserlichs
und göttlichs rechts fur kein ehe erkennen und
die, so solche heimliche und unehrliche prac-
tiken anrichten, nach erheischung der missethat
straffen.
Welche personen sich beyeinander nicht ver-
tragen, sondern scheidend wöllen, die sollen solchs
fur vorbenanten richtern thun, damit man sehe,
c Heimlicher ehecontract gilt nichts.
d Scheidung.
e Lere und vermanung vom ehestand.
f Lere und vermanung vom tode.
seine Nichte oder Großnichte, Tante oder
Großtante heiraten, auch nicht die Stief- oder
Schwiegertochter, Stief- oder Schwiegermut-
ter oder die Tochter seiner geschiedenen
Frau aus deren anderweitiger Ehe. Erlaubt
ist die Ehe zwischen Geschwisterkindern und
blutsmäßig nicht verwandten Stiefgeschwi-
ob sie zu ihrem furnemen rechtmessige ursach
haben oder nicht.
Und das der heilige ehestand deste besser
verstanden und mit mehr ernst und gottes-
furcht angenomen werde, sollen die prediger
allzeit ein lere und ermanunge thun vor dem
zusamengeben, daraus die leut mögen lernen,
was der ehestand sey und wie ein iglicher christ-
lich darin seiner person halben und auch seiner
kinder leben möge.
Von der begrebnis.
Wie die begrebnis von anbegin bey allen Chri-
sten im alten und neuen testament ehrlich ist
gehalten worden, also wöllen wirs auch halten.
Und derhalb sol der prediger, so mit dem ver-
storbenen zu grabe gehet, daselbs eine kurze
unterweisung und ermanungf thun aus der hei-
Ligen schrift vom tod und auferstehung Christi
und der Christen, dadurch in uns erkentnis un-
ser selbs, gottesfurcht und hoffnung des künf-
tigen lebens erweckt und erfrischt werden.
Die kindlin, so one die heilige taufe verschei-
den, lassen wir auf den gemeinen kirchoff be-
graben, dieweil man doch auch manchem alten
menschen den kirchoff vergönnet, der der hei-
ligen taufe nicht fast gemes gelebt hat bis in
sein ende. Doch würde etwas durch ein christ-
lich concilium30a in solchen kirchenordnungen er-
kand, allenthalb eintrechtig zu halten, wöllen
wir gerne annemen.
Beschluss.
Nu haben wir durch Gottes gnade und hülf
klar angezeigt, was die christliche kirche sey,
stern. Vgl. dazu Cod. Just. V, 4, 17. 19 (Ausg.
P. Krueger: Corp. iur. civ. II9. 1915, 196).
29a Vgl. oben S. 806, Anm. 14.
30 Vgl. oben S. 805, Anm. 11.
30a Die Forderung nach einem allgemeinen, wahr-
haft freien Konzil wurde immer wieder laut;
vgl. z. B. Sehling VI, 1, 349; V, 338; VI, 1, 39
u. 534.
127'
1013
18, 6-18] verrichten. Des bapsts recht29a ist allzu
hart mit verbieten und zu gelind zu dispensieren
umb gelt, dazu ist er unser oberkeit nicht, des-
halben wir sein recht in seinem werd lassen.
Aber der keiser ist unser natürlicher herr und
von Gott geordnete oberkeit. Wo sich nu in ehe-
sachen etwas zutregt, das man im keiserlichen
rechte nicht wol entscheiden mag und doch der
sache mus geraten werden, damit nicht grösser
unrat daraus erwachse, wöllen wir nach ver-
mögen unser christlichen freiheit auch das gött-
liche recht Mosi zu hülf nemen, der conscienz
und gemeinem fride deste besser zu raten. Denn
ob uns schon Moses in iudicialibus nicht geboten
und zum rechtsprecher gegeben ist, so ist er
uns dennoch auch nicht verboten. Und kan nie-
mand zweiveln, Moses als ein grosser prophet,
der aus des heiligen Geists eingeben geredt und
geschrieben hat, habe auch wol gewust, was im
ehestand erbar, ehrlich oder unehrlich sey. Denn
er wird gewislich nicht vergebens Deut. 4 [8]
gesprochen haben zum volk Israel: Wo ist so ein
herrlich volk, das so gerechte sitten und gebot
habe, als alle dis gesetz, das ich euch heutes
tags furlege?
Heimliche eheverbindungc, die one wissen und
willen der eltern geschichte30 mit bösen, un-
ordentlichen mitteln, werden wir laut keiserlichs
und göttlichs rechts fur kein ehe erkennen und
die, so solche heimliche und unehrliche prac-
tiken anrichten, nach erheischung der missethat
straffen.
Welche personen sich beyeinander nicht ver-
tragen, sondern scheidend wöllen, die sollen solchs
fur vorbenanten richtern thun, damit man sehe,
c Heimlicher ehecontract gilt nichts.
d Scheidung.
e Lere und vermanung vom ehestand.
f Lere und vermanung vom tode.
seine Nichte oder Großnichte, Tante oder
Großtante heiraten, auch nicht die Stief- oder
Schwiegertochter, Stief- oder Schwiegermut-
ter oder die Tochter seiner geschiedenen
Frau aus deren anderweitiger Ehe. Erlaubt
ist die Ehe zwischen Geschwisterkindern und
blutsmäßig nicht verwandten Stiefgeschwi-
ob sie zu ihrem furnemen rechtmessige ursach
haben oder nicht.
Und das der heilige ehestand deste besser
verstanden und mit mehr ernst und gottes-
furcht angenomen werde, sollen die prediger
allzeit ein lere und ermanunge thun vor dem
zusamengeben, daraus die leut mögen lernen,
was der ehestand sey und wie ein iglicher christ-
lich darin seiner person halben und auch seiner
kinder leben möge.
Von der begrebnis.
Wie die begrebnis von anbegin bey allen Chri-
sten im alten und neuen testament ehrlich ist
gehalten worden, also wöllen wirs auch halten.
Und derhalb sol der prediger, so mit dem ver-
storbenen zu grabe gehet, daselbs eine kurze
unterweisung und ermanungf thun aus der hei-
Ligen schrift vom tod und auferstehung Christi
und der Christen, dadurch in uns erkentnis un-
ser selbs, gottesfurcht und hoffnung des künf-
tigen lebens erweckt und erfrischt werden.
Die kindlin, so one die heilige taufe verschei-
den, lassen wir auf den gemeinen kirchoff be-
graben, dieweil man doch auch manchem alten
menschen den kirchoff vergönnet, der der hei-
ligen taufe nicht fast gemes gelebt hat bis in
sein ende. Doch würde etwas durch ein christ-
lich concilium30a in solchen kirchenordnungen er-
kand, allenthalb eintrechtig zu halten, wöllen
wir gerne annemen.
Beschluss.
Nu haben wir durch Gottes gnade und hülf
klar angezeigt, was die christliche kirche sey,
stern. Vgl. dazu Cod. Just. V, 4, 17. 19 (Ausg.
P. Krueger: Corp. iur. civ. II9. 1915, 196).
29a Vgl. oben S. 806, Anm. 14.
30 Vgl. oben S. 805, Anm. 11.
30a Die Forderung nach einem allgemeinen, wahr-
haft freien Konzil wurde immer wieder laut;
vgl. z. B. Sehling VI, 1, 349; V, 338; VI, 1, 39
u. 534.
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