Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0216
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
14. Ordnünge dero stadt Hildesheimb mit dem brantwein auf die Sontage wie auch
mit dem schießen und wegen der hochzeit. Anno 97, den 21. May1 .

Wir, bürgermeister und sambtrat, vierundzwan-
zig man, olderman der gemeinde, vier ambt und
funf gilde, der loblichen regirung der Alten und Neu-
stadt Hildeßheimb2 , fuegen allen und jeden unsern
burgern, burgerischen, einwohnern, verwanten und
jedermenniglich hiemit zue wißen und wollen ernst-
lich in betracht der plotzigen eingefallenen teurun-
gen, bei straffe zehen neu pfund, so oft solches uber-
tretten, das hinfuro kein brantwein von korn alß
auch von heefen oder barm3 , wie imgleichen auch
honigkuchen sollen gebrant und gebacket werden,
und das auch kein ander den Rheinisch brantwein
gezapfet und die Warningerodischen wie auch alle
andere frembe brantwein durchauß außzuezapfen
verbotten sein soll4.
Auch sollen hiemit alle Meizeiten5 zue halten
genzlich und allerdinge abegeschaffet sein.
Imgleichen soll hiemit unsern wirten auf allen
schenken, sowol auf der wischen6 , aufm schutzen-
hauße, alß auch alle unsern burgern, burgerschen,

1 Druckvorlage: Stadt-A. Hildesheim, Akte 173/1,
Bl. 127-130 (Abschrift).
2 Vgl. oben S. 885, Anm. 2; S. 929, Anm. 2.
3 = Hefe, namentlich des Bieres; vgl. Schiller und
Lübben I, 153; Lasch und Borchling I, 148.
4 Branntwein wird in Hildesheim zum ersten Mal 1524
in den Kämmereirechnungen erwähnt. 1541 wird
der Ausschank von Wein und Branntwein an Sonn-
und Feiertagen vor 10 Uhr verboten. Trotz Erlassen
des Rates, Besteuerung und Einfuhrverboten gab es
zahlreiche Branntweinschenken, in denen der Rhei-
nische und Warningerodische Branntwein ausge-
schenkt wurden. Vgl. J.H.Gebauer, Geschichte
des Handels und des Kaufmannstandes, 93f.
5 Vgl. Zunftrolle des Bäckeramtes der Neustadt vom
11. Februar 1543: ,,...Tom sesten willen de beckers
fastelavendes unde meytidt na older lofliker won-
heit holden unde willen dat hus, darynne ße den
meydach unde fastelavent holden, van allem kyve,
hader, flokende, unluste unde allem gezenkesckem
uproer gefriget unde vorseckert hebben..." ,,...
Tom achten willen nu henforder de beckers oren
meidach in den hilligen dagen to Pinxten unde den
fastelavent na older gewonheit holden." (Urkunden-
buch VIII, Nr. 866). Ratserlaß gegen Störung der
Festversammlung der Bäcker von Braunschweig,
Hannover, Alfeld, Peine u.a O. in Hildesheim...
vom 6. Juli 1526: ,,...unde gedachte radt willen

klipkrugern7 , einwohnern und verwanten, die hie-
mit insonderheit avisiret und verwarnet sein sollen,
so bier, breihanen8 und brantwein schenken, genz-
lich und durchauß verbotten sein, deß Sontage
morgens keinen brantwein, alß auch vor vier schlege
keine geste zue setzen, biß die predigten in den
kirchen ausse, und bier und breihane zue schenken.
Wurde sich aber einer oder mehr diesem unsern
ernstlichen, wolmeinenden verbott zuewiedersetzen,
so soll oder wirt auf den schenken, alß auch auf der
wisch, aufm schutzenhauße, wie auch ein jeglicher
burger und burgersche, so bier und breihanen zapfen
und schenken, jede vier pfund neu, und jeder bur-
ger, burgerkinder, einwohner verwanten und jeder-
menniglich, so sich also auf die Sontage vor vier in
den schenken und allen klipkrugen zum drunke
niedersetzen und daruber betretten, jedeßmalß zwei
pfund neu, auch ohne alle gnade zue straffe ehrleg-
gen, wornach sich ein jeder und menniglich zue
richten und fur schaden zue richten9 wissen wirt.
ock strackes geboden hebben, dat men den meyg,
so de genanten beckere to oren hogelicheyden uppe
de straten unde sust, dar des vonnoden, steken
werden, dat men ohne densulven meyg unvorruckt
unde unvorsert steken late." (Urkundenbuch VIII,
Nr. 754). Ein alter Brauch war es wohl auch, daß
die Stallbrüder oder Stadtknechte zu Pfingsten
ihren Hof mit frischem Laub ausputzten und danach
bewirtet wurden. Um die Mitte des 16. Jh.s wurde
der Tag der Maieinholung ausgestaltet als Fest der
wohlhabenden Stadtjugend. 1555 wird das In-den-
Mai-Reiten erwähnt. 1577 wird beschrieben, wie die
jungen Geschlechtersöhne am Pfingstvorabend in
den Ilsewald bei Uppen reiten, dort die Stallbrüder
einen aus deren Mitte zum Maigrafen küren, wie
dieser bekränzt im festlichen Zug in die Stadt heim-
kehrt, um den Stadtknechten eine frohe Stunde zu
bereiten. An dem Maigrafenbier nehmen dann auch
städtische Würdenträger und Standespersonen teil.
Vgl. J. Gebauer II, 246.
6 = Wiese; vgl. Schiller und Lübben V, 739.
7 = Wirte der Klipkrüge; vgl. oben S. 915, Anm. 10.
8 = Weißbier; vgl. Lasch und Borchling I, 351;
dieses Bier wurde erst Anfang des 16. Jh.s erfunden
und war in Niedersachsen sehr beliebt (Urkunden-
buch 1583 VIII, Nr. 965 erwähnt).
9 Vermutlich verschrieben anstatt: zue hueten (s.
Schluß der Ordnung).

941
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften