Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0228
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
dem gräflichen Hof hatte seinen geistlichen Gerichtsstand vor dem Erzbischof von Bremen selbst36. Der
Graf hatte die Schutzvogtei über das Kloster Rastede. An den Pfarrkirchen hatte er einige Pfründen zu
verleihen, darunter alle Kirchenlehen in der Stadt Oldenburg37 . In den Kirchspielen gab es Kirch-
geschworene, beeidigte Laien mit einem bestimmten Pflichtenkreis, so Bewahrung der Kirchenschlüssel,
Erhaltung der kirchlichen Gebäude und der Geräte, Verwaltung des Kirchenvermögens und Rechnungs-
legung u.a.m.38

2. Anfänge der Reformation

Über das Eindringen lutherischer Lehren in die Grafschaft Oldenburg Sind wir nur spärlich unter-
richtet. Man ist im wesentlichen auf die Nachrichten Hamelmanns1 angewiesen, der ja erst viel später
in der Grafschaft als Reformator wirkte.

Graf Johann V. und Seine Gemahlin Anna standen fest zum Katholizismus. Trotzdem soll in der
Grafschaft schon circa 1525, 1526 und 1527 evangelisch gepredigt worden Sein. „Primi evangelistae“
waren nach Hamelmann : „M. Edo Bolingius, pastor im Esensham, deinde Edo Jolricus Stithardti
pater pastor in Rodenkircken“, „Johannes Hechlerus in Twischenan et Hermannus Crispinus in
Edewech pastores“. „In ecclesia civitatis Altenburgensis“ vertrat Walter Renzelmann die evangelische
Lehre. Er begann, die deutschen Psalmen zu Singen, besonders : „Nun bitten wir den heiligen Geist",
„Wir gläuben“ und „Diß Seynd die heiligen zehen gebott“. Gräfin Anna mißfiel das ; Sie sah aber davon
ab, Renzelmann ins Exil zu schicken, und versetzte ihn nur nach Schwei. Sie tat dies mit Rücksicht
auf ihre beiden jüngeren Söhne ; denn diese, Anton und Christoph, waren der reformatorischen Lehre
sehr zugetan, während die beiden älteren, Johann VI. und Georg, sie ablehnten. Christoph las fleißig
die Bücher Luthers und die ersten Loci communes Melanchthons und ganz besonders die Schriften des
Urbanus Rhegius. Er sowie auch Anton ergötzten sich an den deutschen Psalmen Luthers2 . Christoph
war ein gelehrter Mann, im allgemeinen ein eifriger Förderer der Reformation, doch auch wieder eine
schillernde Persönlichkeit. Er war Domherr zu Bremen, Mitglied des St. Gereon-Stiftes zu Köln, erhielt
noch 1524 eine Präbende am Kölner Dom und wurde dann auch noch Propst des Stephani-Wilhadi-
Kapitels zu Bremen. Reformatorische Interessen verbanden sich bei ihm mit materiellen Interessen
ohne Skrupel, und Seine Neigung zu humanistischen Studien vertrug sich mit kriegerischen Unter-
nehmungen3 . Christoph und Anton sorgten dafür, daß Magister Umme Ilksen, der in Wittenberg stu-
diert hatte, in der Stadt Oldenburg evangelisch und gegen die auf der Terminarie wohnenden Osnabrücker

36 Vgl. G. Rüthning I, 203; H. Lübbing, aaO. 88f.; zum Sendgericht much H.Goens, Die Kirche des Mittel-
alters, 41 ff.

37 Vgl. H. G. Ehrentraut, Friesisches Archiv I, 487f. (Lagerbuch) ; G. Rüthning, I, 202. Zur kirchlichen Ein-
teilung der Grafschaft Oldenburg im Mittelalter s. auch K. Meinardus, Die kirchliche Einteilung.

38 Vgl. Bremisches Urkundenbuch III, Nr. 6; Beschlüsse der Bremischen Provinzialsynode von 1351; dazu H.
Goens, aaO. 36f.

1 Zu Hamelmann vgl. unten S. 964, Anm. 1. Auch K. Wöbcken, Luther und die Einführung seiner Lehre, 26 ff.,
ebenso L. Schauenburg, Beiträge, 14ff.; E. Sichant, Die Reformation, 139ff., stützen
sich wesentlich auf Hamelmann.

2 H. Hamelmann, Opera, 774ff.; dazu für einige Angaben: ders., Oldenburgische Chronik, 515 (betr. Graf
Christoph). 522 f. (betr. Walter Renzelmann ). Zu Rhegius vgl. unten S. 1075, Anm. 3.

3 Vgl. Oldenburgisches Urkundenbuch III, Nr. 400 (1526): Christoph verflucht die Wut der luth. Ketzerei; aaO.
III, Nr 687 mit Note 1: Christoph läßt dem eigenen Sohn das Haupt scheren und ihn Priester werden. Vgl. auch
H.Goens, Die Einziehung der Kirchengüter, 14f.; H. Lübbing, aaO. 93; bes. W. Storkebaum, passim.

953
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften