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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0230
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Lehenstagen berufen wurden. Anton verstand sich dabei als „hovet, eigendomsher und patronus“ der
Kirche13. Das Sendgericht verschwand.

Weitgehend ließ Sich der Graf von materiellen Interessen leiten. So wurden Vikarien der Kirche
entzogen und an weltliche Beamte vergeben14. Kirchenschätze wurden beschlagnahmt zur Bereicherung
der gräflichen Schatzkammer15 ; der Kirchenzehnte wanderte in die gräfliche Kasse. Kirchengut wurde
säkularisiert. Auch sonst ließ es der Graf an Fürsorge für die Kirchen fehlen. Die Kirchen zu Lang-
warden, Blexen und Atens wurden - wenn auch wohl aus strategischen Gründen — gebrochen, die Niko-
laikirche zu Oldenburg ließ er baufällig werden, die von den Münsterschen niedergebrannte Kirche zu
Wardenburg nicht wieder aufbauen. Die Pfarrstellen blieben manchmal vakant16. - Die gräfliche
Hand legte sich selbstverständlich auch auf das Klostergut. Vom Abt des S. Paulsklosters vor Bremen
erhielt Graf Anton bald nach 1525 dessen Besitz in Stedingen, wogegen der Erzbischof von Bremen er-
folglos beim Reichskammergericht prozessierte. Die Güter des Karmeliterklosters Atens, das 1530 be-
reits verlassen war17 , wurden verstaatlicht. Auch die Johanniterhöfe wurden eingezogen. Der darüber
seit 1549 geführte Prozeß beim Reichskammergericht wurde am 8. September 1572 durch einen Vergleich
beigelegt. Der Orden verzichtete größtenteils und verkaufte dem Grafen die Höfe Bredehorn, Inte,
Roddens und Strückhausen als freies Eigentum18. Das Dominikanerinnenkloster Blankenburg bestand
jedenfalls noch 1557. Doch rechnete man Schon damals mit einer Vertreibung des Konventes19 . Das
Kloster wurde dann in ein gräfliches Brauhaus verwandelt. Aus einem Zehnthof des Klosters Neuen-
huntorf wurde ein gräfliches Vorwerk gemacht. Die alte Benediktinerabtei Rastede mit ihren Gütern
gelangte in den Besitz des Grafen Christoph, der sich von den dortigen Mönchen angeblich zunächst
zum Abt-Provisor wählen ließ20 , um sie dann durch eine Pension abzufinden und sich im Kloster mit
seiner Frau einzurichten. Er verwandte das Klostervermögen zum Anwerben von Söldnertruppen21.

In der Herrschaft Delmenhorst wurde die Reformation22 unter Franz von Waldeck als Bischof

13 Vgl. G. Rüthning, Die Reformation in den Kirchspielen, 128ff.; H. Goens, aaO. 18f.; Oldenburgisches Ur-
kundenbuch VII, Nr. 216 (27. Nov. 1565).

14 H. Goens, aaO. 44. Die Vikarien wurden wie gewöhnliches herrschaftliches Land auf das Register geschrieben und
Landleuten parzellenweise überlassen.

15 Ebd. 17. Vgl. Oldenburgisches Urkundenbuch III, Nr. 491 (21.8.1531).

16 Vgl. z.B. Oldenburgisches Urkundenbuch VII, Nr. 24: Bitte der Kirchspielsleute zu Atens, die Kirche wieder
aufbauen und einen Pfarrer anstellen zu dürfen 1573; denn „wy arme und elende lude in deme karspel to Atens
leven sunder Gades wort und dat hyllyge sacrament, gelyck wo dat wylde vee up deme velde.“ 1570 beklagten sich
die Butjadinger bei Herzog Julius von Braunschweig: „und sein die lehen und kirchengüter dermaßen verrücket,
daß im ganzen lande etliche jahr her keine schule gehalten und die predikanten über der karspelleute stattliche
zulage von ihren lenen mit swarheit ihre leibsnarung von ihrem sauren dienst haben können‘ ( .L Schauenburg
I, 331). Vgl. auch Schauenburg, Beiträge, 61; K. Sichkart, Die Reformation, 144; J. M. Reu I, 3, 1, 2,
778*; H. Harms, 60.

17 Vgl. H. Reimers, Das Karmetlitenkloster Atens, 166. 169. 172.

18 Vgl. W. Hayen, Die Johanniter, 22 ff.

19 Vgl. Oldenburgisches Urkundenbuch IV, Nr. 866.

20 Er nannte sich anfangs „„Elect. provisor des gadeshuses to Rahstedt“ ; vgl. Oldenburgisches Urkundenbuch IV,

Nr. 214 (15.6.1530). 1532 (8.4.) nennt er sich „vorweser des godtzhuses und klosters to Rastede“ (aaO. Nr. 217);

ab 1537 ist dann häufig von „unserm“ Kloster Rastede die Rede, das auch ein neues Siegel erhält (vgl. aaO. Nr.

219 vom 22.12.1537). Vgl. dagegen aaO. III, Nr. 450 (nach dem 26.10.1529): Graf Johanns Klage über seinen

jüngeren Bruder: „Auch zu gedenken mit dem kloster zu Rastedt, das die monniche graff Cristoffer sollen haben

gekorn. Er hat Sich selb ins kloster gesetz, welches ihme graff Anthonies bewilligt. Alles ane mein wissen, willen und

volbort.‘“ Dazu H.Goens, aaO. 19.

21 Zum Ganzen vgl. G.. Rüthning I, 282ff.; H. Goens, aaO. 14ff.; H. Lübbing, aaO. 94.

22 Die Nachrichten über erste Anfänge reformatorischer Strömungen in Herrschaft und Stadt Delmenhorst erscheinen
ziemlich unsicher. H. Goens, aaO. 13, verweist auf eine Urkunde vom 21.2.1535, die, wie dann auch Urkunden
in der Folgezeit, nicht mehr, wie früher üblich, „nach Gottes geburt,“ sondern „nach der geburt unseres Herrn Jesu
Christi, unseres seligmachers‘“ datiert ist (Staats-A. Oldenburg, Best. 297 K, Copiar Langen; im Oldenburgischen
Urkundenbuch III, Nr. 538 ist die Datierungsbezeichnung nicht mit abgedruckt), und meint daraus auf einen re-

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