20. Currendeordnung de dato 23ten Augusti 15961.
Nachdeme durch gunstige bewillige eines ehr-
baren rades der vornehmsten und öldesten der stadt
Jeuer eine currende etliecker armen knaben anno 91
ingewilliget und angefangen, deßülven jairs Domi-
nica Invocavit2 oeck vor ratsam angesehen, da
desülvigen knaben de Söndage und Mittwecken
scholen ummegaen up den straten, ein endrechtigen,
christlich psalmen to singende und to ehren be-
hoeff und notturft aimoßen sammelen. Darnach sind
darto einhellig twolf christliche ehrliche und fromme
männer geordnet, von welckeren tweh nacheinander
denselvigen schölen vorstahn, de rente und in-
künfte upheven und wen de almißen lieckmehtig
uhtgedelet, darbei sein, dat nicht jedermann in
desülvige möchte ohne jenigen underschet lepen
und sick inflieken, so hebben wie derentwegen uht
riefen und wohlbedachten raade geschlaten und ver-
affschedet:
1. dat men darin schall nehmen olderlose knaben,
den von ehren öidern, so hier bürger gewesen, nichts
kan angeerbet werden, und sonst kene hülpe hebben.
2. So under unsern bürgern oeck jemand würden in
armoht geraden, dat he siene kinder nicht christiich
vermöchte to ertende und to die schole to holdende,
desülvigen kindern schail men oeck in düsse cur-
rende up- und annehmen.
3. So oeck jenige knaben wurden befunden, de
drepliche3 ingenia hadden und ihrn olderen ver-
müchten nicht, desülvigen to de schole van wegen
der armoht to holdende, desülvigen jedoch up
gueder lüde verbidde kan oeck hiermede gedenet
werden.
1 Druckvorlage: Staats-A. Oldenburg, Best. 97,
Nr. 377 (spätere Abschrift). Dem niederdeutschen
Text ist eine hochdeutsche Übersetzung beigegeben.
2 Der Sonntag Invocavit fiel 1591 auf den 21. Februar
alten Stils, auf den 3. März neuen Stils; vgl. H.
Grotefend-Th. Ulrich, Taschenbuch der Zeit-
rechnung des deutschen Mittelalters und der Neu-
zeit10 1960, 170. 190. In Oldenburg wurde der neue
Stil offenbar erst 1700 eingeführt; vgl. Edict wegen
Verbesserung des Calenders vom 8. Febr. 1700 in:
Corpus Constitutionum Oldenburgicarum, 2. Theil
Nr. XLIX, 53.
4. Nachdem diese stadt und gemeine nicht grot,
oeck bißwijlen weinig nahrung darin vertgedaen
und den knaben geringes gegeven, alß dat men kene
vele knaben kan underholden, so wille wy demnach
nach unser gelegenheit, dat in desülvige currende
schölen sestein frömme, sedige4 und gottesfürchtige
kinder genahmen werden und können oeck woll ge-
leden5 werden vehr expe[c]tanten, so alleine men de
helfte, bet se gänzlich angenahmen, schall mitge-
deelet werden.
5. So under densülvigen welke wurden sien, de
duetzt6 lesen, schrieven und recken würde köhnen,
de schölen darinnen vehr jahren und nach gelegen-
heit to emptern eder sonsten anderen orden ver-
hülpen werden, de aver latin würden lehren und
temlich proficaren, de schall man söß jahre darinnen
underholden und denen so beförderen, dat se in
hoger scholen möchten geschicket werden.
6. Dewiele desülvigen knaben darinnen ruhme7
tiedt inne sien, mit kost, kledunge, boecker und
papier und sonsten, wat ehnen nöhdig mag sien,
vörsehen und versorget werden, so se hernach to
gelarden lueden würden geraden und man se nodig
to kercken und schoelen, to doenende, dat se denne
ehren vaderlande vor andern orden gerne willen
deenen, dar se sick den oeck to schoelen obligeren.
7. Dat in diese currende nemand schall werden ge-
nahmen, oeck nicht darinnen geduldet, idt sie
denne, dat he in unse schoele to Jeuer8 gehe.
8. Da averst jemand van den knaben würden moht-
willig sien, sich ungebührlich up der straten ver-
holden, oeck nicht flietig in de schoele gehen, und
3 = vortreffliche, bedeutende; vgl. Schiller und
Lübben I, 572; Lasch und Borchling I, 475.
4 = sittige, anständige, züchtige; vgl. oben S. 840,
Anm. 2.
5 = gestattet; vgl. Schiller und Lübben II, 688.
6 = deutsch; vgl. Lasch und Borchling I, 491.
7 = geraume; vgl. J. ten Doornkaat Koolman,
Wörterbuch der ostfriesischen Sprache III. 1884, 67.
8 Zur Schule in Jever vgl. Einleitung, oben S. 980.
984.
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Nachdeme durch gunstige bewillige eines ehr-
baren rades der vornehmsten und öldesten der stadt
Jeuer eine currende etliecker armen knaben anno 91
ingewilliget und angefangen, deßülven jairs Domi-
nica Invocavit2 oeck vor ratsam angesehen, da
desülvigen knaben de Söndage und Mittwecken
scholen ummegaen up den straten, ein endrechtigen,
christlich psalmen to singende und to ehren be-
hoeff und notturft aimoßen sammelen. Darnach sind
darto einhellig twolf christliche ehrliche und fromme
männer geordnet, von welckeren tweh nacheinander
denselvigen schölen vorstahn, de rente und in-
künfte upheven und wen de almißen lieckmehtig
uhtgedelet, darbei sein, dat nicht jedermann in
desülvige möchte ohne jenigen underschet lepen
und sick inflieken, so hebben wie derentwegen uht
riefen und wohlbedachten raade geschlaten und ver-
affschedet:
1. dat men darin schall nehmen olderlose knaben,
den von ehren öidern, so hier bürger gewesen, nichts
kan angeerbet werden, und sonst kene hülpe hebben.
2. So under unsern bürgern oeck jemand würden in
armoht geraden, dat he siene kinder nicht christiich
vermöchte to ertende und to die schole to holdende,
desülvigen kindern schail men oeck in düsse cur-
rende up- und annehmen.
3. So oeck jenige knaben wurden befunden, de
drepliche3 ingenia hadden und ihrn olderen ver-
müchten nicht, desülvigen to de schole van wegen
der armoht to holdende, desülvigen jedoch up
gueder lüde verbidde kan oeck hiermede gedenet
werden.
1 Druckvorlage: Staats-A. Oldenburg, Best. 97,
Nr. 377 (spätere Abschrift). Dem niederdeutschen
Text ist eine hochdeutsche Übersetzung beigegeben.
2 Der Sonntag Invocavit fiel 1591 auf den 21. Februar
alten Stils, auf den 3. März neuen Stils; vgl. H.
Grotefend-Th. Ulrich, Taschenbuch der Zeit-
rechnung des deutschen Mittelalters und der Neu-
zeit10 1960, 170. 190. In Oldenburg wurde der neue
Stil offenbar erst 1700 eingeführt; vgl. Edict wegen
Verbesserung des Calenders vom 8. Febr. 1700 in:
Corpus Constitutionum Oldenburgicarum, 2. Theil
Nr. XLIX, 53.
4. Nachdem diese stadt und gemeine nicht grot,
oeck bißwijlen weinig nahrung darin vertgedaen
und den knaben geringes gegeven, alß dat men kene
vele knaben kan underholden, so wille wy demnach
nach unser gelegenheit, dat in desülvige currende
schölen sestein frömme, sedige4 und gottesfürchtige
kinder genahmen werden und können oeck woll ge-
leden5 werden vehr expe[c]tanten, so alleine men de
helfte, bet se gänzlich angenahmen, schall mitge-
deelet werden.
5. So under densülvigen welke wurden sien, de
duetzt6 lesen, schrieven und recken würde köhnen,
de schölen darinnen vehr jahren und nach gelegen-
heit to emptern eder sonsten anderen orden ver-
hülpen werden, de aver latin würden lehren und
temlich proficaren, de schall man söß jahre darinnen
underholden und denen so beförderen, dat se in
hoger scholen möchten geschicket werden.
6. Dewiele desülvigen knaben darinnen ruhme7
tiedt inne sien, mit kost, kledunge, boecker und
papier und sonsten, wat ehnen nöhdig mag sien,
vörsehen und versorget werden, so se hernach to
gelarden lueden würden geraden und man se nodig
to kercken und schoelen, to doenende, dat se denne
ehren vaderlande vor andern orden gerne willen
deenen, dar se sick den oeck to schoelen obligeren.
7. Dat in diese currende nemand schall werden ge-
nahmen, oeck nicht darinnen geduldet, idt sie
denne, dat he in unse schoele to Jeuer8 gehe.
8. Da averst jemand van den knaben würden moht-
willig sien, sich ungebührlich up der straten ver-
holden, oeck nicht flietig in de schoele gehen, und
3 = vortreffliche, bedeutende; vgl. Schiller und
Lübben I, 572; Lasch und Borchling I, 475.
4 = sittige, anständige, züchtige; vgl. oben S. 840,
Anm. 2.
5 = gestattet; vgl. Schiller und Lübben II, 688.
6 = deutsch; vgl. Lasch und Borchling I, 491.
7 = geraume; vgl. J. ten Doornkaat Koolman,
Wörterbuch der ostfriesischen Sprache III. 1884, 67.
8 Zur Schule in Jever vgl. Einleitung, oben S. 980.
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