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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0204
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Goslar

Johannes Wessel, der aus Halberstadt vertrieben worden war. Er soll es nicht bei der evangelischen Predigt
belassen haben, sondern auch das Abendmahl unter beiderlei Gestalt gefeiert haben89.
Erste Ansätze einer reformatorischen Bewegung zeigten sich 1525. Im Frühjahr dieses Jahres kam es zu
Unruhen in der Stadt. Von den Gilden und der Meinheit wurde dem Rat eine Liste mit 38 „Gravamina“
übergeben90. Wirtschaftliche, politische und geistliche Forderungen standen dabei nebeneinander: Der erste
Artikel der Eingabe betraf die Predigt des Evangeliums: Wollen sie haben, das das wortt Gottes recht gepre-
digett werde aus rechtem grunde der heiligen schrifft. So aber das wortt Gottes nicht recht geprediget würde, sollen
abgesetzet werden pfarherr oder prediger. Neben der Predigt des Evangeliums finden sich ältere Anliegen wie
die Zahlung von Schoß und Wachtgeldern durch die Geistlichen und ihre Beteiligung an den bürgerlichen
Aufgaben (Art. 2) oder die Einziehung der Leibgüter von Mönchen und Nonnen und ihre Verleihung an
Bürger der Stadt (Art. 3). Kritik wurde auch an der Erhöhung der Präsenzgelder bei den Totenvigilien laut;
durch die Einbeziehung der abwesenden Priester waren sie auf das doppelte angestiegen (Art. 33)91.
In seiner Stellungnahme vom Montag nach Exaudi (29. Mai) erklärte der Rat die Forderung nach der
Predigt des Wort Gottes fur gleich und billich, brachte sie jedoch gleichzeitig in Verbindung mit dem Man-
dat des Reichsregiments vom 6. März 1523. Demnach sollten die Geistlichen zwar allein das heilig evange-
lium verkündigen; die Predigt des Evangeliums wurde jedoch von der autoritativen Auslegung der Heiligen
Schrift durch die Kirche abhängig gemacht. Darüber hinaus untersagte das Mandat den Geistlichen, The-
men in ihren Predigten zu berühren, die zu [...] ungehorsam, uneinigkeit und aufrur im heiligen reich [...]
ursach geben konnten92. Die Frage einer möglichen Absetzung der Geistlichen wegen ihrer Predigten ließ der
Rat in seiner Stellungnahme unberührt. Bei der Verschoßung der Güter verwies er auf bestehende Rege-
lungen mit den Geistlichen. Hinsichtlich der Einziehung der Leibgüter von Mönchen und Nonnen und der
Sperrung der Präsenzgelder für die nicht bei den Vigilien anwesenden Priester stellte er lediglich Verhand-
lungen mit den entsprechenden Personen in Aussicht93.
In den Artikeln 34 und 35 der „Gravamina“ hatte die Gemeine das Recht der Wahl und Absetzung der
Worthalter und Beisitzer für sich in Anspruch genommen und eine Einberufung der Meinheit an vier
Terminen im Jahr zur Beratung über alle feil und gebrechen der Stadt gefordert. In seiner Stellungnahme
ging der Rat auf diese Punkte nicht ein. Am 31. Mai 1525 kam es jedoch mit der Einsetzung der „Voll-
mächtigen“ zur Bildung einer Art „Nebenregierung“ der Vertreter der Meinheit neben dem Rat, die bis zum
Jahr 1531 Bestand haben sollte94.
Unter den Vertretern der Gilden und der Gemeine waren die Befürworter der Reformation in der Mehr-
heit. Dagegen standen die Mitglieder des Engeren Rates der neuen Bewegung eher ablehnend gegenüber.
Zahlreiche der führenden Ratsfamilien waren mit den alten geistlichen Institutionen verbunden und daher
an einer Veränderung der bestehenden kirchlichen Verhältnisse nicht interessiert. Wichtige Stützen der
Altgläubigen waren die Bürgermeister Georg Witzenhausen und Christian Balder. Nach dem Durchbruch
der Reformation verließ eine Reihe der Ratsfamilien die Stadt95.
Als Jahr der Einführung der Reformation in Goslar wird in der Literatur meist das Jahr 1528 angege-
ben. Als Reformator der Stadt gilt Nikolaus von Amsdorf. Der Goslarer Rat geriet mit fortschreitender Zeit

Jahrbuch 72 (2005), S. 49-76; Robert Peters, Johan-
nes Bugenhagen und sein Vorgänger Theodor Smedecken
- ein Übersetzungsvergleich, in: Johannes Bugenhagen
(1485-1558). Der Bischof der Reformation. Beiträge der
Bugenhagen-Tagungen 2008 in Barth und Greifswald,
hrsg. von Irmfried Garbe / Heinrich Kröger,
Leipzig 2010, S. 255-270.
89 Vgl. Heineccius, Antiquitatum Goslariensium [...] libri
sex, S. 440 und 443f. Zu Johannes Wessel vgl. Pastoren
der Landeskirchen 1, S. 338.

90 StadtA Goslar B 4546 (es handelt sich hierbei um eine
spätere Abschrift).
91 Zu der Eingabe vgl. Graf, Pfründe, S. 29f.; Störmann,
Städtische Gravamina, S. 52.
92 Das Mandat vom 6. März 1523 ist ediert in RTA JR 3,
Nr. 84, S. 447-452 (Zitate auf S. 450).
93 Vgl. Hölscher, Geschichte der Reformation, S. 21f.
94 Zu den „Vollmächtigen“ vgl. ebd., S. 17f.
95 Vgl. ebd., S. 35.

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