Goslar
leitung zu Schaumburg S. 36). In der von Nikolaus von Amsdorf entworfenen Goslarer Kirchenordnung von
1531 (Nr. 7) finden sich hingegen keine Vorgaben für eine Visitation. Auch aus den folgenden beiden Jahr-
zehnten sind keine entsprechenden Regelungen bekannt. Der Superintendent Eberhard Widensee scheint
verschiedentlich Visitationen in Klöstern und Stiften durchgeführt zu haben; über Visitationen der Pfarr-
gemeinden gibt es hingegen keine Nachrichten280.
Erst Tilemann Heshusen scheint eine solche Regelung für notwendig erachtet zu haben: Die im Juni
1554 entworfene Visitationsordnung ist die erste der beiden von ihm während seiner dreijährigen Tätigkeit
in Goslar verfaßten Ordnungen. Sie fällt durch ihre Kiirze auf: Weder weist sie eine Einleitung auf, die über
die Bedeutung der Visitationen Auskunft geben könnte, noch enthält sie Angaben über die Abstände der
Visitationen und über das beteiligte Personal (Pfarrer, Ratsherren). Die Ordnung bietet lediglich einen
schematischen Überblick über einzelnen Bereiche der Visitation: Am Anfang steht dabei, wie in anderen
Ordnungen, die Prüfung der Pfarrer und Kapläne auf ihre Lehre und ihre Lebens- und Amtsführung. Daran
schließt sich dann die Prüfung der Gemeinden an, zu denen vor allem die Älterleute befragt werden sollen.
Auffällig ist in diesem Absatz die antijüdische Spitze mit der Forderung nach einem Verbot der abgottischen
Zeremonien und des Wuchers. Des weiteren sieht die Visitationsordnung eine Untersuchung der Besoldung
der Geistlichen und der Verwaltung der Kirchengüter, der Schulen und des Lehrpersonals, der Hospitäler
und der Armenversorgung sowie der kirchlichen Gebäude vor, wobei nicht nur der Zustand der Kirchen,
sondern auch der der Wohnungen der Pfarrer, Kapläne und Küster in Augenschein genommen werden soll.
22. Konsistorialordnung, 1555 / [nach 1561] (Text S. 306)
Die von Tilemann Heshusen entworfene Konsistorialordnung, die in der Literatur weit mehr Beachtung
gefunden hat als die ein Jahr zuvor entstandene Visitationsordnung281, ist nicht mehr im Original erhalten,
sondern nurmehr in späteren Abschriften überliefert. Der Edition zugrunde gelegt wurde hier die Abschrift,
die der Goslarer Pfarrer und Chronist Johann Konrad Trumph († 1724)282 angefertigt hat. Sie findet sich im
Band B 4350 des Stadtarchivs Goslars, der Kopien der wichtigsten kirchlichen Ordnungen der Reichsstadt
enthält. Der Konsistorialordnung von 1555 ist noch ein Zusatz aus späterer Zeit angefügt.
Vom einführenden Schreiben des Rates und der Darstellung der Zusammensetzung und Zuständigkeit
des Konsistoriums abgesehen, basiert die Goslarer Konsistorialordnung zu großen Teilen auf dem sogenann-
ten „Ehe-Bedenken“, das den zweiten Teil der sogenannten „Cellischen Ordnungen“ von 1545 bildet: Her-
zog Moritz von Sachsen hatte zu Weihnachten 1544 die Mitglieder der beiden an den Bischofssitzen behei-
mateten Konsistorien in Meißen und Merseburg und eine Reihe weiterer Gelehrter in das Kloster Altenzella
eingeladen, um dort über die Grundlagen einer kirchlichen Gesetzgebung für das albertinische Sachsen zu
beraten283. Das Ergebnis der unter der Leitung des Merseburger Koadjutors in geistlichen Angelegenheiten,
Georgs III. von Anhalt, stehenden Versammlung waren drei Ordnungen: 1. eine Konsistorialordnung, 2. das
„Ehe-Bedenken“ und 3. eine Kirchenordnung, die als Ergänzung zu der aus der Zeit Herzog Heinrichs von
Sachsen stammenden Agende gedacht war284. Das „Ehe-Bedenken“ diente in der Folge den beiden Kon-
sistorien in Meißen und Merseburg und später, nach der Verlegung des Merseburger Konsistoriums nach
Leipzig, auch dem Leipziger Konsistorium als Grundlage für ihre Rechtsprechung285.
280 Vgl. oben S. 204.
281 Vgl. z.B. Barton, Luthers Erbe, S. 50-52, der ausführ-
lich auf die Konsistorialordnung eingeht, nicht aber auf
die Visitationsordnung; des weiteren Dieterich, Prote-
stantisches Eherecht, passim (s. die beiden Stichworte
Kirchenordnungen Goslar Konsitorialordnung und Heß-
husius).
282 Zu Johann Conrad Trumph vgl. Pastoren der Landeskir-
chen 1, S. 338 und Gasse, Gute alte Stadt, S. 50-53.
283 Vgl. die Einleitung zu den „Cellischen Ordnungen“ in
Sehling, EKO 1, S. 97-101.
284 Abdruck der drei Ordnungen ebd., S. 291-304
285 Ebd., S. 98f.
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leitung zu Schaumburg S. 36). In der von Nikolaus von Amsdorf entworfenen Goslarer Kirchenordnung von
1531 (Nr. 7) finden sich hingegen keine Vorgaben für eine Visitation. Auch aus den folgenden beiden Jahr-
zehnten sind keine entsprechenden Regelungen bekannt. Der Superintendent Eberhard Widensee scheint
verschiedentlich Visitationen in Klöstern und Stiften durchgeführt zu haben; über Visitationen der Pfarr-
gemeinden gibt es hingegen keine Nachrichten280.
Erst Tilemann Heshusen scheint eine solche Regelung für notwendig erachtet zu haben: Die im Juni
1554 entworfene Visitationsordnung ist die erste der beiden von ihm während seiner dreijährigen Tätigkeit
in Goslar verfaßten Ordnungen. Sie fällt durch ihre Kiirze auf: Weder weist sie eine Einleitung auf, die über
die Bedeutung der Visitationen Auskunft geben könnte, noch enthält sie Angaben über die Abstände der
Visitationen und über das beteiligte Personal (Pfarrer, Ratsherren). Die Ordnung bietet lediglich einen
schematischen Überblick über einzelnen Bereiche der Visitation: Am Anfang steht dabei, wie in anderen
Ordnungen, die Prüfung der Pfarrer und Kapläne auf ihre Lehre und ihre Lebens- und Amtsführung. Daran
schließt sich dann die Prüfung der Gemeinden an, zu denen vor allem die Älterleute befragt werden sollen.
Auffällig ist in diesem Absatz die antijüdische Spitze mit der Forderung nach einem Verbot der abgottischen
Zeremonien und des Wuchers. Des weiteren sieht die Visitationsordnung eine Untersuchung der Besoldung
der Geistlichen und der Verwaltung der Kirchengüter, der Schulen und des Lehrpersonals, der Hospitäler
und der Armenversorgung sowie der kirchlichen Gebäude vor, wobei nicht nur der Zustand der Kirchen,
sondern auch der der Wohnungen der Pfarrer, Kapläne und Küster in Augenschein genommen werden soll.
22. Konsistorialordnung, 1555 / [nach 1561] (Text S. 306)
Die von Tilemann Heshusen entworfene Konsistorialordnung, die in der Literatur weit mehr Beachtung
gefunden hat als die ein Jahr zuvor entstandene Visitationsordnung281, ist nicht mehr im Original erhalten,
sondern nurmehr in späteren Abschriften überliefert. Der Edition zugrunde gelegt wurde hier die Abschrift,
die der Goslarer Pfarrer und Chronist Johann Konrad Trumph († 1724)282 angefertigt hat. Sie findet sich im
Band B 4350 des Stadtarchivs Goslars, der Kopien der wichtigsten kirchlichen Ordnungen der Reichsstadt
enthält. Der Konsistorialordnung von 1555 ist noch ein Zusatz aus späterer Zeit angefügt.
Vom einführenden Schreiben des Rates und der Darstellung der Zusammensetzung und Zuständigkeit
des Konsistoriums abgesehen, basiert die Goslarer Konsistorialordnung zu großen Teilen auf dem sogenann-
ten „Ehe-Bedenken“, das den zweiten Teil der sogenannten „Cellischen Ordnungen“ von 1545 bildet: Her-
zog Moritz von Sachsen hatte zu Weihnachten 1544 die Mitglieder der beiden an den Bischofssitzen behei-
mateten Konsistorien in Meißen und Merseburg und eine Reihe weiterer Gelehrter in das Kloster Altenzella
eingeladen, um dort über die Grundlagen einer kirchlichen Gesetzgebung für das albertinische Sachsen zu
beraten283. Das Ergebnis der unter der Leitung des Merseburger Koadjutors in geistlichen Angelegenheiten,
Georgs III. von Anhalt, stehenden Versammlung waren drei Ordnungen: 1. eine Konsistorialordnung, 2. das
„Ehe-Bedenken“ und 3. eine Kirchenordnung, die als Ergänzung zu der aus der Zeit Herzog Heinrichs von
Sachsen stammenden Agende gedacht war284. Das „Ehe-Bedenken“ diente in der Folge den beiden Kon-
sistorien in Meißen und Merseburg und später, nach der Verlegung des Merseburger Konsistoriums nach
Leipzig, auch dem Leipziger Konsistorium als Grundlage für ihre Rechtsprechung285.
280 Vgl. oben S. 204.
281 Vgl. z.B. Barton, Luthers Erbe, S. 50-52, der ausführ-
lich auf die Konsistorialordnung eingeht, nicht aber auf
die Visitationsordnung; des weiteren Dieterich, Prote-
stantisches Eherecht, passim (s. die beiden Stichworte
Kirchenordnungen Goslar Konsitorialordnung und Heß-
husius).
282 Zu Johann Conrad Trumph vgl. Pastoren der Landeskir-
chen 1, S. 338 und Gasse, Gute alte Stadt, S. 50-53.
283 Vgl. die Einleitung zu den „Cellischen Ordnungen“ in
Sehling, EKO 1, S. 97-101.
284 Abdruck der drei Ordnungen ebd., S. 291-304
285 Ebd., S. 98f.
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