Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0233
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung

In der Goslarer Konsistorialordnung sind die einzelnen Teile etwas anders angeordnet als im „Ehe-
Bedenken“; auch wird nicht immer der vollständige Text des betreffenden Abschnitts aus dem „Ehe-Be-
denken“ übernommen. Übereinstimmungen ergeben sich bei folgenden Abschnitten: Der zweite Teil des
Abschnitts „Wie in ehesachen vor dem consistorio procediert werden soll“ der Goslarer Konsistorialordnung
(ab: „Als do sich ein theill beklaget“) entspricht dem mit „Proceß“ überschriebenen Abschnitt des „Ehe-
Bedenken“ (SEHLING, EKO 1, S. 294f.). Beim Abschnitt „Von ehegelübden, so ohne bewilligung der eltern
beschehen“ ist ein Teil des fast gleichlautenden Abschnitts des „Ehe-Bedenken“ (ebd., S. 292f.) ausgelassen
worden. Dabei handelt es sich um ein vom Herzog von Sachsen zu erlassendes Ausschreiben, mit dem das
Verbot der Verlobung ohne elterliche Zustimmung noch einmal eingeschärft werden soll. Die folgenden
Abschnitte über die heimlichen Verlöbnisse, die Ehescheidung und die Verlobung mit zwei Personen sind
dann fast unverändert aus dem „Ehe-Bedenken“ entlehnt (ebd., S. 294, S. 295 und 295f.), wo sie sich auch
in der der Goslarer Konsistorialordnung entsprechenden Reihenfolge finden. Im Abschnitt „Von weglauffen
und nicht beywohnen der eheleute“ ist ein zur Veröffentlichung vorgesehenes Ausschreiben des Herzogs aus
dem „Ehe-Bedenken“ ausgelassen worden (ebd., S. 296). Neben der Goslarer Konsistorialordnung ist auch
die Mecklenburger Kirchengerichts- oder Konsistorialordnung aus dem Jahr 1570 (hier der Titulus VIII.)
vom „Ehe-Bedenken“ beeinflußt286.
Die Goslarer Ordnung ist von Bürgermeister und Rat erlassen worden. Durch die Schaffung eines
Konsistoriums erhofften sie sich eine Entlastung bei ihrer Arbeit. Das Goslarer Konsistorium ist ein reines
Ehegericht287. Damit hebt es sich von anderen Konsistorien ab, die auch als Gerichte für geistliche Personen
und bei kirchlichen Vergehen von Laien fungierten288. Das Goslarer Konsistorium setzte sich aus den Pfar-
rern der Goslarer Gemeinden, dem Bürgermeister oder einem Ratsherrn und einem vom Rat benannten
Notar zusammen. Die Leitung hatte der Superintendent inne. Die Sitzungen fanden in der Marktkirche
statt.
Zuständig war das Konsistorium für alle Angelegenheiten, betreffend das matrimonium, die ehe, derselben
gelobnuß und scheidung, verbotene sippe oder gradus oder was solchem mehr anhengig seyn magk. In Zweifels-
fällen sollte es sich an das Konsistorium in Wittenberg wenden289, was auch häufiger geschehen zu sein
scheint. Gefordert wird eine möglichst rasche Prozeßführung (schleunig und one alle weitleufftigkeit), jedoch
bei Beachtung aller notwendigen Verfahrensteile (citatio, defensio, probatio). Gegen einen definitiven Ent-
scheid des Konsistoriums gab es keinen Einspruchsmöglicheit.
Verboten waren heimliche Verlöbnisse und solche ohne die Zustimmung der Eltern290 (bzw. Großeltern)
oder Vormünder geschlossenen. Sie wurden vom Konsistorium für ungültig erklärt. Gefordert wurde ein
öffentliches Verlöbnis in Gegenwart von mindestens zwei oder drei Zeugen291. Ein heimliches Verlöbnis sollte
ein späteres öffentliches in seiner Wirksamkeit nicht beeinträchtigen. Mit Berufung auf den im vierten
Gebot des Dekalogs geforderten Gehorsam gegenüber den Eltern bedurfte ein Verlöbnis bindend deren
Zustimmung, wenn das Paar unter 20 Jahren (bei Männern) bzw. unter 18 Jahren (bei Frauen) war292.
Auch bei mündigen Personen sollte die Zustimmung der Eltern eingeholt werden, notfalls mit der Unter-
stützung des Pfarrers und der Verwandten. Das „Nein“ der Eltern konnte die Gültigkeit des Verlöbnisses
hier aber nur beim Vorliegen stichhaltiger Gründe aufheben. Über die Stichhaltigkeit eines Hinderungs-
grundes entschied das Konsistorium293.

286 Vgl. die entsprechenden Nachweise aus dem „Titu-
lus VIII.“ der Mecklenburger Kirchengerichts- und Kon-
sistorialordnung (Sehling, EKO V, S. 231-247) in Text
Nr. 22.
287 Vgl. Müller, Anfänge der Konsistorialverfassung, S. 12.
288 Vgl. TRE 19, S. 484; Müller, Anfänge der Konsistorial-
verfassung, S. 6; Sehling, EKO 1, S. 96.

289 Zum Wittenberger Konsistorium und dessen Tätigkeit
vgl. Frassek, Eherecht, S. 72-115.
290 Interessant ist hier die Definition des Begriffs „Eltern“
auf S. 311.
291 Zur Zeugenerfordernis vgl. Dieterich, Eherecht, S. 154.
292 Ebd., S. 94-96.
293 Bei Luther und anderen Reformatoren finden sich War-

213
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften