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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0235
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Einleitung

Die Ordnung von 1566 hält an den beiden Horen am Morgen und am Nachmittag (die nun als conven-
tiones bezeichnet werden) fest, unterscheidet nun aber nicht mehr zwischen Sonn- und Wochentagen. Der
Morgen beginnt mit einem aus dem Wittenberger Psalter entnommenen Hymnus, dessen Verse wie her-
kömmlich abwechselnd gesungen werden. Ein Kapitular stimmt die drei Psalmen an, die von den anderen
Mitgliedern jeweils zu Ende gesungen und mit dem Gloria Patri abgeschlossen werden. Daraufhin wird die
vor den Psalmen intonierte Antiphon zu Ende geführt und ein Responsorium angestimmt. Nach der Lesung
aus dem Neuen Testament schließt die Feier mit dem „Benedictus Dominus Deus Israel“ oder dem „Te
Deum laudamus“. Am Nachmittag wird mit einem deutschen Psalm begonnen und dann wie am Morgen
psalmodiert, wobei an die Stelle des abschließenden Responsorium hier ein Hymnus tritt. Danach erfolgt
die Lesung aus dem Alten Testament. Abgeschlossen wird die Feier abwechselnd durch das Magnificat oder
das „Nunc dimittis“ mit Antiphon und dem „Benedicamus Domino“. Im Unterschied zur Ordnung von
1560 scheinen nun nicht mehr die Pfarrer, sondern die Stiftsherren selbst die Lesungen vorzunehmen299.
Der Chorgesang des Kapitels blieb bis zur Aufhebung des Stifts Anfang des 19. Jh. erhalten. Im Jahr
1606 gab es weiterhin täglich zwei Horen. Zu dieser Zeit zählte das Kapitel noch 12 Kanoniker. Bis 1802
war die Zahl der Kapitularen dann auf sieben gesunken. Der Chorgesang fand an den Wochentagen jetzt
nur noch einmal statt, am Morgen um 7 Uhr im Sommer und um 8 Uhr im Winter; lediglich an den Sonn-
und Feiertagen versammelten sich die Stiftsherren zweimal, am Morgen und am Nachmittag, im Chor300.
Im Jahr 1566 scheint auch endlich der Gemeindegottesdienst aus der kleinen Thomaskirche in die
Stiftskirche verlegt worden zu sein. Nach der Darstellung von Heinecke soll am 22. September 1566, dem
Sonntag vor Michaelis, der Kaplan der Marktkirche und Pfarrer an St. Thomas, Jakob Vernikel (Kernikel),
die erste evangelische Predigt auf der Kanzel der Stiftskirche gehalten haben301. Die vom Goslarer Rat im
„Protocollum reformationis“ im Zusammenhang mit der Verlegung des Gottesdienstes angekündigte Repa-
ratur der Stiftskirche scheint keine bleibende Wirkung gehabt zu haben, denn bereits im 17. Jh. sah man
sich zur Abstützung des Gewölbes des Hauptschiffs gezwungen302.
25. Vergleich zur Versorgung der Witwen und Kinder der verstorbenen Geistlichen, 7. August 1566 (Text
S. 324)
Siehe hierzu die Erläuterungen unter Nr. 19.
26. Ordnung für das Spital St. Pankratius (Siechenhof), 24. Juni 1588 (Text S. 326)
Ende des 16. Jh. besaß die Stadt Goslar fünf Bürgerspitäler: das an der Königsbrücke gelegene Große Hl.
Kreuz, das Kleine Hl. Kreuz am Frankenberger Plan, das Annenhaus in der unteren Glockengießergasse,
den Siechenhof St. Pankratius vor dem Breiten Tor und das im ehemaligen Franziskanerkloster unterge-
brachte Brüderhaus303. Mit Ausnahme des Brüderhauses, das 1566 vom Superintendenten Dietrich Holz-
hausen304 gegründet worden war, stammten alle anderen Bürgerspitäler aus dem Mittelalter. Das älteste
von ihnen war das Große Hl. Kreuz aus dem Jahr 1254. Ebenfalls noch im 13. Jh. entstanden war der
Siechenhof. Das Kleine Hl. Kreuz ging auf das Ende des 14. Jh. zurück. Die Gründung des Annenhauses

299 Vgl. auch Lohse, Dauer der Stiftung, S. 134f.
300 Niedersächsisches Klosterbuch 2, S. 493; Lohse, Dauer
der Stiftung, S. 136f.
301 Heineccius, Antiquitatum Goslariensium [...] libri sex,
S. 509. Zu Jakob Vernikel (Kernikel), † 1568, vgl. Pasto-
ren der Landeskirchen 1, S. 340 (dort mit dem Vornamen
Johann).

302 Vgl. Niedersächsisches Klosterbuch, S. 502, Lohse,
Dauer der Stiftung, S. 138.
303 Vgl. Dreves, Armenwesen, S. 102-121; Kelichhaus,
Goslar um 1600, S. 198-213.
304 Zu Dietrich Holzhausen († 1586), von 1564 bis zu seinem
Tod Superintendent in Goslar, vgl. Pastoren der Landes-
kirchen 1, S. 339.

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