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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0103
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Visitationsordnung 1537

keltage lenger zech halten soll dann nach mittage
von drei uren an bis uf fünf uren eingeschlossen.24
Und wilcher das uberfüre, der soll uns einen gul-
den zu buß, unnachleßlich so oft er das tut, geben.
Es were dann, daß ein frembder oder bauersman
in die stat oder ein frembder ufs dorf gewandert
kompt, dem mag man umb sein gelt zimlich essen
und drinken geben. Hierin ist aber niemans ver-
potten, in sein haus nach seiner notturft bier oder
wein zu holen, doch daß er die zeche nit anders
halte, dann wie obgemelt.
Aber uf den dorfen durchaus soll der weinwirt
des werkeltags kein weinzech von bauern halten,
es sei dann daß ein frembder man gewandert
kompt, dem soll man, wie gemelt, umb sein gelt
essen und drinken geben, usgescheiden in landen
des Rheins, da kein bier ist, da soll man den wein,
doch obgemelter ordnung gemeß, zulassen.
Und darumb so soll auch kein schultheis oder
amptknecht in allen unsern gepieten keinen wein-
schank in keinen weg haben oder üben, sonder ob
einer oder mehr in ihrer bestellung den wein-
schank hetten, die sollen uns solichs anzeigen und
dargegen, so sie pleiben wollen, zimliche verglei-
chung nemen.
[14] Nachdem sich auch ein zeitlang, wie obge-
melt25, ein frembde secten der widertauf in unsern
landen und gebieten ereuget und heimlich under-
gesleuft haben, derowegen wir hiebevor mehr dann
eine ordenung gemacht haben26, so wollen wir,
daß soliche ordenung mit vorweisung und andern
24 Noch Reformationsordnung 1526 (Ahschn. 9) er-
laubte die Öffnung bis 9 Uhr (S. 40). Die Visi-
tationsordnung radikalisiert auch an anderen Stel-
len die Ordnung von 1526 entschieden.
25 S. 82.
26 Vgl. den landgräflichen Erlaß gegen die Wieder-
täufer, 1528 (Quellen IV, 7), Kirchendienerord-
nung 1531, Abschn. 7 (S. 73f. und Quellen IV, 15),
landgräfliches Ausschreiben vom 6. März 1535
(Quellen IV, 37), Ausschreiben gegen die Wieder-
täufer vom 28. Mai 1536 (Quellen IV, 47 D), Land-
tagsabschied zu Homberg in Hessen vom 7. Juli
1536 (Quellen IV, 47 M) und Ausschreiben gegen
die Wiedertäufer vom 29. Juli 1536 (Quellen IV,
47 O).
27 Die folgenden Artikel enthalten in kurzer Formu-
lierung die Lehre der Wiedertäufer. Einzelne Artikel
lagen auch schon den Wiedertäuferverhören zu-
grunde, die Formulierung im ganzen geht aber wohl

sachen stracks gehalten werden sollen. Dieweil
dann soliche sect, von wilcher man zu Monster
viel grausamer dinge gesehen hat und täglich noch
viel böser furnemen mit brande und anderm heret,
keins wegs zu gedulden ist, so will nochmals die
notturft erfordern, darin zu sehen nach gelegen-
heit der sachen und personen.
Damit dann iderman grundlich und eigentlich
versteen möge, dweil die person ihr glaube und
verhandelunge nicht gleichmeßig sein, sonder ein
gleube irriger und schwerer ist, dann der ander,
auch ein furnemen schwerer und größer ist dann
das ander, wie man darinne handeln und proce-
diren, so soll man nachvolgenden underschiet hal-
ten27.
Anfenglich setzen wir vor ein unbeweglichen
grund, daß alle und ide person beider geschlecht,
so von kindtauf nichts halten, ihre kinder nicht
teufen, oder sich widerumb taufen lassen.
Welche auch halten oder glauben, daß ein chri-
stenman nit weltliche erbliche oberkeit haben oder
tragen, zu felde ziehen, das vatterland retten oder
beschirmen helfen, die widerwertigen und bösen
straffen, gerechte kriege füren, zinse und zehenden
nemen und geben, rechtmeßige ufgelegte eide
schweren möge.
Item, welche von der menschwerdung Jesu Chri-
sti, unsers heilands, anders dann daß Christus von
Marien blut durch wirkung des heiligen Geistes
die menscheit an sich genummen habe, haltet,
nach der tauf vergebung' der tödsünde verneine
erst auf das ,,Bedenken des Ausschusses uf den ge-
halten ratschlag“ (Quellen IV, 47 S) zurück. Viel-
leicht lag diesem Ratschlag der Druck zugrunde,
den der Landgraf in seinem Schreiben an die nach
Kassel zu einer Tagung über die Wiedertäufer ent-
botenen Räte und Getreuen vom 3. August 1536 er-
wähnt (Quellen IV, 47 P): ,,Wir schicken dir . . .
darbeneben einen druck, dorin der widerteufer un-
christliche articul mit guten grunden widerlegt wer-
den“, leider fehlt dieser Druck bei den Akten. - Die
Artikel der Ordnung haben wiederum der Schrift
Georg Schnabels vorgelegen: Verantwortung und
widerlegung der artikel, so jetzund im land zu
Hessen uber die armen Davider (die man wider-
taufer nennt) usgegangen sind, 1538 (Quellen IV,
63 und dazu IV, 65 C: ,,. . . dies hiebei verwarte
buchlin, das sie wider E.F. G. jungst usgangen orde-
nung geticht haben, und ist meins ansehens Jorg
Schnabels handschrift und getichte“).

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