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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0104
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Visitationsordnung 1537

und versage alle güter gemeine und dermaßen ge-
schickt sein, daß einer one des andern willen die
angreifen und prauchen möge.
Item, welcher glaubt oder heldet, daß ein chri-
stenmann uf einmal mehr dann ein eheweib haben
möge, oder one wissen der oberkeit oder umb des
gleubens willen sein eheweib verlassen und ein an-
dere nemen möge und andere dergleichen artikel,
so zu Münster wider die schrift gelert worden28.
Dieselbigen alle irren im glauben und seint in unser
christlichen gemeine nicht zu gedulden, wie das
alles hiebevor durch göttliche schrift widerlegt ist
und nachmals leichtlich widerlegt mag werden.
Item, welche unberuffen predigen und heimlich
versamlung in welden, wüstenungen oder entzeln
heusern machen oder soliche versamlunge wissent-
lich besuchen.
Item, welche halten, daß kein weltliche erbliche
oberkeit sein sollen.
Item, wilche der oberkeit nit gehorsam leisten,
desgleichen so sie proscribirt und verwiesen wer-
den, ihrer eide vergessen, oder, ob sie die gleich
nit getan hetten, widerkemen und sölich gebott
ubertretten, dieselbigen sollen in die keiserliche
edicta von sölichen versamlungen und ungehor-
sam sagende, nemlich daß sie mit dem schwert ge-
richtet mögen werden29, gefallen sein30.
[15] Und demnach, so ein mensch, es sei frau-
oder mansperson, mit einem oder mehr der ob-
gemelten artikel halben verdacht wird, derselbig
sei under uns oder den unsern vom adel oder an-
dern gesessen, damit dann gegen demselbigen un-
ordentlicherweise nicht gehandelt werde, so soll
ihnen der pfarherr irstlich vor sich furdern und
ihnen sambt zweien oder dreien oder viern gelerten
pfarhern unterstehen zu berichten31, wo sie ihnen
dann nit berichten mügen, alsdann dem amptman
28 Vgl. W. J. Kühler, Geschichte der Nederlandsche
doopsgezinden in de 16 eeuw, 1932 und H. J.
Schoeps, Vom himmlischen Fleisch Christi, 1951,
28 ff. (zur Christologie Melchior Hofmanns).
29 Eine Zusammenstellung der Reichsgesetzgebung
über die Wiedertäufer bei G. Bosert (ed.), Quellen
zur Geschichte der Wiedertäufer, Bd. 1 Herzogtum
Württemberg, 1930.
30 Obwohl die Frage nach dem Verständnis des Abend-
mahls den Wiedertäufern immer wieder vorgelegt
worden war (vgl. etwa das Verhör in der Herrschaft

oder amptknechten oder seiner oberkeit des wechs
anzeigen; so haben wir auch zu Marpurg, zu Cassel,
Eschwege, zu Darmstat und Sant Gewehr unser
superintendenten und geistlichen verordent, vor
dieselbigen und unsere räte an idem ort durch die
amptleute, amptknechte oder ihr oberkeit sollen
soliche verdachte personen gefenglich oder sonst
leiplich gefurt oder pracht werden, nach gelegen-
heit eins iden zirks, dieselbigen superintendenten
und unsere räte söllen söliche verdachte person
verhören und, so die irrig erfunden wirdet, mit
allem und höchstem vleiß in aller gütigkeit zu be-
richten understeen. Und so sich dann befindt, daß
söliche person von ihren irtumb absteet und sich
berichten lesset, dem soll ein schriftliche remission
widerumb in sein gericht, stat, platz an die ober-
keit und pfarrer gegeben werden, darin vermeldet,
daß er sich bekeret habe und buß tun wölle und
soll seinen irtum vor der christlichen gemein, die
er vonnals geergert het, bekennen mit anzeigung,
daß er wider in unser gemein getretten sei und
sich darin als ein gehorsamer halten wölle, und
daruf soll dieselb person von der gemeine wider-
umb ufgenomen werden und vor sie ein gemeine
vorbit und danksagung gegen Gott geschehen.
Wirdet aber die person nit irrig erfunden, soll
man sie gutlich tractieren und verlassen one be-
schwerung zu hause ziehen.
Trüge sich aber zu, daß ein person einmal oder
zwei abgestanden were und fiele widerumb und
wurde dannoch widerumb berichtet, daß sie sich
zum andern oder dritten mal bekeren wolt, die-
selbige person soll etwas nach ufsatzung der super-
intendenten und der oberkeit des orts, dahin sie
pracht wird, in almusenkasten geben armen leu-
ten, doch nach gelegenheit der person und ihrer
guter, auch derselbigen weib und kindern.
Tann, Quellen IV, 42 A, das Verhör der Wieder-
täufer Conrad von Grünberg, Ludwig Löber von
Allendorf und Hans Schneider von Kirchhain in
Marburg, Quellen IV, 45, und das Verhör der in
Marburg gefangenen Wiedertäufer, Quellen IV,
46 C), so fehlt doch dieser Punkt imter den Wie-
dertäuferartikeln der Ordnung.
31 Vgl. etwa die in Anm. 30 erwähnten Wiedertäufer-
verhöre. Durch Bucer werden die Verhöre zu einem
festen Bestandteil bei der Wiedergewinnung der
Wiedertäufer.

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