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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0224
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Kirchenordnung 1566

welcher sie dienen sollen, und dies soll entweder
der superintendens, wan er daselbst visitiret, oder
sonst irgents ein pfarherr sampt einem oder zweien
dienern des worts verrichten.
(2) Dies soll die form der ordination sein: Der
pfarherr, welcher die erwelte ordiniret, soll nach
einer kurzen vorred (wie zuvor von der ordination
der eltesten, so im wort arbeiten, angezeiget97) vom
ampt der eltesten aus der heiligen schrift verlesen,
wie folget, Act. 20 [28-31]: So habt nun acht uf
euch selbst und die ganze herde, unter welche euch
der heilig Geist gesetzt hat etc., bis uf die wort:
einen iglichen mit trenen zu ermanen.
(3) Darnach soll der pfarherr den ordinanden ihr
ampt uf solche weis etwas weitleuftiger und under-
schiedlicher erkleren: Ihr habt gehort, mein gelieb-
ten im Herrn, daß neben den bischoffen auch elte-
sten vom h. Geist zur verwaltung der kirchen Got-
tes gesetzt seind. Darumb will es euch gebüren, daß
ihr sonderlich große sorge tragt und darauf ge-
flissen seid, wie die kirche wol möge regirt werden,
und daß ihr den andern dienern, so im wort arbei-
ten, in allen dingen mit treuem rat und hülf for-
derlich seid, gleich wie sich dan auch dapfere und
weise radsherrn gegen dem burgemeister halten, wo
ein gute ordnung in gemeinem nutz soll angerichtet
werden.
(1) Vor allen dingen98 aber solt ihr sampt den
andern kirchendienern mit höchsten fleiß verhüten,
daß nicht etwan ein verfelschung der lehr, entweder
durch die, so in der kirchen offentlich predigen,
oder durch falsche lehrer und wölfe, so heimlich ne-
ben einschleichen und listiglich betrigen wöllen,
eingefiiret werden; und so ihr etwas dergleichen
vernemen würdet, sollet ihrs alsobalt den andern
anzeigen und mit ihnen ratschlagen, wie man ein
solch unglück abwenden möge. Solche vorsichtig-
keit will auch vonnöten sein, damit die sacrament
recht ausgeteilet und gereicht werden und alles,
was sonst wol geordnet ist, oder noch soll angericht
werden, zu erhalten.

97 Vgl. S. 203f. Eine Ordination der Ältesten, die zur
Regierung bestellt sind, und der Diakone kennt auch
Johannes a Lasco.
98 Zu den Aufgaben der Ältesten vgl. Ziegenhainer
Zuchtordnung 1539, S. 103.

(2) Ihr solt verschaffen, daß under allen diener
lust und lieb zur einigkeit stets erhalten werde und
daß sie sich gegeneinander mit ungeferbter lieb er-
zeigen und je einer dem andern mit ehrerbietung
zuvorkomme (Rom. 12, 10). Uber dies solt ihr auch
sorg und fleiß anwenden, daß under den andern
gleubigen kein haß envachse, noch irgents offent-
liche schismata und spaltunge entstehen.
(3) Wann die ministri versamlet sein, so solt ihr
euch undereinander zum fleiß in euerm ampt er-
manen, und wann ihr vernemen werdet, daß etz-
liche nachlessig sind, denselbigen solt ihr sagen,
daß sie mit zusehen und ihrem ampt, so sie im
Herrn entpfangen, gnug tuen (Coloss. 4,17). Darzu
solt ihr auch ernstlich ratschlagen, wie das volk
in der ganzen gemein oder insonderheit etliche ge-
wisse persone mögen ermanet werden, alles nach
gelegenheit vorlaufender sachen.
(4) Belangende das urteil und gericht der kirchen
soll man die briider, so etwan in sünde gefallen,
nach der insatzung Christi [Mt 18, 15f.] in der güte
straffen. Wenn sie aber kein vermanung hören noch
annemen wöllen, in den bann99 tun und sie vor hei-
den und zölner ausschreien. So sie aber wiederumb
buß tun, alsdann sollen sie aus dem bann getan
und wiederumb zu gnaden ufgenommen werden1.
Darumb solt ihr hie alles fleißig ausrichten, was
denjenigen, welchen die schlüssel des himelreichs
vertrauet sind, zustehet.
(5) Letzlich, was sich sonst weiter zutragen wird,
darin die ministri euer treuen hülf und beistand
bedörfen, als so es würde vonnöten sein, uf etliche
vorgelegte frage zu antworten oder zweitracht und
zank ufzuheben, oder die einander zuvor feind und
gehessig gewesen zu versünen, oder den armen, so
die kirch umb hulf anschreien, steuer zu tun, oder
aber was man sonst weiter zu schaffen hat, in dem
allem solt ihr willig sein und nichts abschlagen, das
zu erbauung anderer und erhaltung der reinen reli-
gion gelangen möge.
Dies ist, ihr geliebten im Herrn, vornemlich das
99 Zur Tradition innerhalb der hess. Kirche vgl. Refor-
matio 1526, S. 54; Ziegenhainer Zuchtordnung
1539, S. 107.
1 Vgl. Reformatio 1526, S. 55 f.; Ziegenhainer Zucht-
ordnung 1539, S. 108.

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