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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0321
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Kirchenordnung 1566

kirchen, von welchen, so sie tüglich erkant, wird
ihnen vergönnet, mit andern gleubigen zum nacht-
mal des Herren zu gehen.
Vom h. abendmal Christi unsers Herrn, wie
man das halten soll
Wann wir recht bedenken wöllen, was für arme,
schwache und untüchtige leut wir in diesem leben
seind, künden wir leichtlich erkennen, daß wir täg-
lich müssen durch den h. Geist Gottes erinnert, an-
gehalten, bestetiget und wol gerüstet und bewaret
werden, wenn wir anderst in der gemein Gottes blei-
ben, im glauben, liebe und hoffnung bestehen und
in warhaftiger buß und bekerung zu Gott beharren
und immer fortschreiten sollen. Dann also ist der
teufel gesinnet, je mehr der mensch sich befleißet,
nach Gottes wort und willen sein leben anzustellen,
sünde und ergernus zu verhüten, je heftiger er ihm
zusetzt und alle seine list und gewalt dahin wendet,
daß er ihnen zu fall bringe und in die eußerste ge-
fahr, beide des leibs und der seelen, stürze, wie das
der Herr Christus selbs bezeugt, Mat. 12 [43-45];
Luc. 11 [24-26], daß der unsauber geist, wo er ein-
mal ausgetrieben, ruhe suche und begere sonderlich
das haus inzunemen, daraus er durch Christum ver-
stoßen ist. Wann ers dann findet mit besem gekeret
und wol geschmuckt, das ist, wenn solche leut sicher
seind und sich nit wol gegen diesen feind verwaret
haben, nimpt er andere erger geister, denn er selbs
ist, zu sich und zeucht daselbst wider ein und wird
mit demselbigen menschen erger dann es zuvor je-
mals gewesen ist. Und der heilige Petrus sagt, unser
widersacher, der teufel, gehe umbher gleich wie ein
brüllender löw und suche, welchen er verschlinge,
1. Petr. 5 [8]. Dargegen aber haben wir diesen ge-
waltigen trost, daß der Sohn Gottes seiner lieben
kirchen und einem jeden christgleubigen verheißen
und zugesagt hat, er wolt sie nicht waisen lassen,
sondern wolt bei ihnen sein bis zum ende der welt
und ihnen helfen streiten wider den teufel und die
gottlose welt, das sie durch seinen beistand die sünde,
den teufel und tod und alle hellische pforten sollen
9 Augustinus, ep. 54, 1, 1; MPL 33, 200; CSEL 34,
II, 159. Zur Tradition: Calvin IV, 14, 26; Niesel
5,285.
10 Augustinus, in Joan. Evgl. tract. 80, 3; MPL 35,

uberwinden. Er hat ihnen versprochen den rechten
advocaten und beistand, den h. Geist, der soll uns
nach dem willen Gottes regieren, bei einem christ-
lichen leben und gehorsam gegen Gott erhalten, in
aller widerwertigkeit sterken und trösten, daß wir
nit zurücktretten und des kampfs underliegen. Wann
wir nur gegen die gewalt und listigkeit des teufels
uns ufhalten und bestehen wöllen, müssen wir hilf
und rat suchen, nicht bei uns selbs, die wir durch
die sünde also verderbet seind, daß wir viel mehr
dem teufel entgegenlaufen und uns ihm willig er-
geben, dann für ihm fliehen und ihm widerstehen
künden, sondern bei unserm Herrn Jesu Christo, der
da kommen ist, des teufels werk zu zerstören (1. Joan.
3, 8), und müssen den advocaten, den h. Geist, den
er uns zugeordnet hat, bei uns lassen wirken,
kreftig und stetig in uns sein, daß also durch ihnen
dem teufel geweret und gesteuret werde. Solchs
aber geschicht erstlich in warhaftiger, gleubiger be-
trachtung des heiligen göttlichen worts, darnach
auch im rechten brauch der teuren, hochwirdigen
sacramenten, welche der Herr Christus umb unser
schwachgleubigkeit willen hat neben das wort ge-
setzt und geordnet, daß sie uns söllen ein erinne-
rung, zeugnus, pfand und versicherung sein der gna-
denreichen, göttlichen verheißung, als dann seind
das sacrament der tauf und das abendmal, oder das
sacrament des leibs und bluts unsers Herrn Jesu
Christi, davon der heilig Augustinus ad Januarium
epi. 1189 schreibt: Dominus noster Jesus Christus
leni nos iugo, sicut ipse in Evangelio loquitur, sub-
didit, et sarcinae levi. Unde sacramentis numero
paucissimis, observatione facillimis, significatione
praestantissimis, societatem novi populi colligavit,
sicuti est Baptismus Trinitatis nomine consecratus
et communicatio corporis et sanguinis ipsius. Wie
nun das wort, wenn es stets gelesen, gehort, wider-
holet und fleißig betrachtet wird, den glauben in uns
anzündet, mehret und bestetiget und also der heilig
Geist sein werk in uns volnbringt, also auch die
sacrament, welche seind visibile verbum (wie der
heilige Augustinus10 redet), wann sie nach der ein-
1840; CCL 36, 529. Das Zitat ist in der Tradition
sehr häufig; vgl. u. a. Apologie Art. 13; Bek. Schrr.
292f.

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20 Sehling, Bd. VIII, Hessen I
 
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