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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0253
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15. Kirchenordnung 1556

schwachheyt der Kindlein verzugs nicht leiden
kündten, alsdann soll man auch auff andere tage
teuffen. Die Vätter oder nechsten verwandten
Blutsfreunde der ungetaufften kindlein sollen auffs
fürderlichste sich irem Pastor angeben Mit vermel-
dung, das sie Gott mit eyner jungen frucht, Sohn
oder Tochter, be- |B1v| [g]nadiget, und demütiglich
bitten, derselbigen durch die Tauff zu dem Christ-
lichen Glauben und seligkeyt zuverhelffen, Auch an-
zeygung thun, Welche er zu Gevattern, Zeugen und
Bekenner[n] des Glaubens zu solchem Christlichem
werck bitten wölle. Und da an etlichen orttern der
gebrauch, mehr dann eynen Gevattern zubitten, sol-
len doch nicht mehr dann drei durch den Pfarrherrn
zugelassen werden.
Da nun die Innheymische gebettene Gevattern
mitm offentlichen Sünden und lastern nit beladen,
sondern für Gliedmaß der Kirchen gehalten, Odder
die Außlendischen eyn gezeugnus ires Christlichen
Glaubens unnd wandels von iren nChristlichen, Ca-
tholischenn Pfarrherrn bringen werden, sollen sie die
Praedicanten zulassen und nicht verwerffen.
Würde auch eyner zu Gevattern vorgeschlagen,
den der Pfarrherro offentlicher Laster halben nit
verwerffen kündte und doch etwan zweiffelte, ob er
auch im Christlichen glauben recht unterricht, So
soll er denselbigen vor der Tauffe in seiner behau-
sung verhören und nicht in der Gemeyn bei dem
Tauffsteyn ihnen Examiniren oder zu beten in son-
derheyt zwingen.
Im fal, auch ettliche ausserthalb der Ehe inn un-

hen [=hinauszögern] oder sonsten, das die kindlein dar-
zue nicht kommen möchten, seumig sein oder verlaßenn
wurden, das sie deswegenn vor Gott schwere rechen-
schafft geben mußenn unnd am jungsten tage derselbi-
gen bludt vonn ihrenn henden wurde erfurdert werden.
Nachmahls.
m B: mit irriger, falscher lehr und argerlichen opinionen
oder mitt.
n-n B: evangelischen.
o B: Pfarrherr irriger lehr oder.
p-p B: Wo aber solchs kindes vatter den pastor umb die tauff
nicht ansuchen wurde, alß[dann] wirdt die obrigkeit von
ampts wegen solch kindt zue tauffen bevehlenn, doch

pflicht kinder zielen20 und auff demselbigen irem un-
christlichem, lesterlichem leben beharren würden,
die sollen umb die Tauff irer kinder zubitten, alldie-
weil | B2r | sie sich nit bekeren, nicht zugelassen wer-
den, Sondern andere fromme Christen solches von
des Kinds wegen begeren. pDa sich auch der fall der
gehe-21 oder nottauffe zutragen würde, sollen die
Hebammen und andere weiber, so darbei, mit allem
fleis daran sein, das solche tauffe, so ymmer müg-
lich, durch den Pfarrherrn geschehe.
Kündte es aber keynen verzugk erleiden, sollen
sie doch das kindlein zu geheteuffen nicht under-
stehen, es sei dann zuvor gantz von mutterleib kom-
men22. Alsdann mögen sie in beisein zweyer oder
dreier weiber eyn andechtig Vatter unser23 sprechen
und betten unnd darauff das kindlein mit wasser in
dem Namen des Vatters und des Sohns unnd des
heyligen Geystes teuffen. Da nun das kindlein da-
rauff absterben würde, soll man nicht zweiffeln, es
sei gnugsam getaufft. Bleibt es aber am leben, soll
das Kindlein auff den nechstvolgenden Predigtag
inn die Kirchen bracht Und der Pfarrherr, wie sie
mit solcher Tauff umbgangen, berichtet werden.
Und da er nun befünde, das sie darmit rechtschaffen
und wie obgemelt umbgangen, soll er das kindlein
nicht widerteuffen, sondern es alda in die Gemeyn
und zal der Christen annehmen, Das Evangelion
Marci 10 [13-16] uber das Kindlein lesen Und es
durch das Gebet Gott dem Allmechtigen befelhen
mit dem nachvolgenden Gebet: Der allmechtige
Gott und Vatter, etc., ut infra24. |B2v| Wann nun

wird hie der nothfall [=Nottaufe] außgeschloßenn. Wann
nu der pfarrer, vatter und gevatternn sampt dem kindt-
lein bey der tauffe versamlet, soll der kirchendiener fra-
gen, wie man das kindt nennen wölle unnd ob es etwan
genottauft worden. So es nun nicht genottauffet ist, sol
er ferner also sagenn.

20 Unehelich Kinder zeugen, Grimm, DWb 31, Sp. 1089f.
21 Jähtaufe.
22 Vollständig geboren.
23 Mt 6,9-13.
24 Siehe unten, S. 238.

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