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Telekleides

Interpretation Das sprachliche Bildmaterial suggeriert wohl die Schilderung
eines Menschen (Kaibel in Kassel-Austin z.St. deutet das ganze Fragment so:
„dici videtur homo servilis nequitiae, sordidus et humilis“). Die Anhäufung
von Epitheta, mit denen etwa Trygaios den verstorbenen Kleon in Ar. Pac.
653-6 beschimpft - insbes. die beiden konkreten, hier auf den Demagogen ad
hoc zugeschnittenen Prägungen κύκηθρον und τάρακτρον -82 bieten hierfür
das beste Pendant.
Einen Ansatz für die Identifikation des Bildes mit einem kömödoumenos
bietet Cratin. fr. 223 [Seriphioi] (είτα Σάκας άφικνη καί Σιδονίους καί
Έρεμβούς, / ες τε πόλιν δούλων, άνδρών νεοπλουτοπονήρων, / αισχρών,
Άνδροκλέων, ψ Διονυσοκουρώνων): hier sagt ein Sprecher, er werde gelangen
,in die Stadt der Sklaven, der Neureich-Schlimmen, der Schändlichen, der
Androklesse, f der Dionysokurönes'. In schol. Ar. Vesp. 1187a (einem wei-
teren Testimonium zum Kratinos-Fragment) wird behauptet, Androkles sei
ebendort als ,Sklave und Bettler“ (δοϋλον καί πτωχόν), von Telekleides (fr. 16)
und Ekphantides (Ecph. fr. 5) als ,Beutelschneider“ verspottet worden. Wenn
Telekleides auf denselben Androkles auch als ,sklavenschlimmen schäbigen
Hocker“ angespielt haben sollte, ließe sich dies mit den Koordinaten eines
kömödoumenos vereinbaren, dessen Zustand primär als sklavisch und elend
(,Bettler“, ,schäbig“) zu erkennen war.83
Das Fragment würde insoweit mit der idealisiert-utopischen Landschaft
von fr. 1 harmonieren - in der (wenn auch nicht explizit geäußert) kein
Sklavenbedarf herrscht -, als hier von einem sklavischen Element die Rede
ist. Daraus Schlußfolgerungen für eine mutmaßliche Haltung des Komikers
bezüglich der Rolle von Sklaven zu ziehen, die im Widerspruch stünde zu
der (vermeintlich) sklavenlosen Gesellschaft von fr. 1 (so Farioli 2001, 90-1),
erscheint indes als zu abwegig. Außerhalb der vermutlich parenthetischen
Schilderung des Schlaraffenlandes in fr. 1 dürften auch die Amphiktyones auf
die in der Archaia gewöhnlichen Gemeinplätze hinsichtlich des Sklavenlebens
rekurrieren, wozu wohl auch ein ,schäbiger Hocker“ gehörte. Telekleides’
Fragment wurde, zusammen mit Cratin. fr. 223 [Seriphioi], als Beispiel für
den Demagogen als Sklaven herangezogen (vgl. Rosenbloom 2002, 308-9 A.
102); ähnlicherweise erscheint Hyperbolos als Sklave bzw. Sklavensohn in

82 Jeweils „an Instrument for stirring up“ und „a tool for disturbing“ (Olson 1998,
z.St.).
83 Ob das Element des ,Ledernen“, an dem, wenn auch auf verschiedene Weise, sowohl
der ,Beutelschneider“ als auch der ,Hocker“ (Diphros) einen Anteil haben konnten,
in dem Witz eine gewisse Rolle spielte - etwa analog zu Kleons identifikatorischen
Merkmalen als skytotomos sei dahingestellt.
 
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