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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2001 — 2002

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I. Das Geschäftsjahr 2001
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Kresten, Otto: Herbert Hunger (9.12.1914 - 9.7.2000)
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https://doi.org/10.11588/diglit.66350#0137
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Was diese „Hörer der ersten Stunde“ heute noch, in der Erinnerung, mit schier
grenzenlosem Staunen erfüllt, ist die Tatsache, daß Herbert Hunger neben dieser
immensen Aufbauarbeit in seinem Universitätsinstitut und neben seiner gleich im fol-
genden zu würdigenden Tätigkeit im Rahmen des Präsidiums der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften auch einen wissenschaftlichen Meilenstein nach dem
anderen setzte: 1964 erschien sein „Prooimion“, seine grundlegende Monographie zu
den Elementen der byzantinischen Kaiseridee in den Arengen der Urkunden, eine
Arbeit, in der Hunger, gewiß durch Heinrich Fichtenaus „Arenga“ angeregt, den ver-
schiedenen Ausformungen der Propagierung der kaiserlich-byzantinischen „Ideolo-
gie“ in den einleitenden Gedanken der Dokumente der byzantinischen Kaiserkanzlei,
seien es nun Privilegien, Gesetze oder Ausländsbriefe, nachging, ihre Grundlagen in
immer wiederkehrenden Gedanken, Formeln und Topoi über das hellenistische
Königtum zurück bis zu den führenden Köpfen politischer Theorie in Hellas, bis Pla-
ton und Isokrates, verfolgte und zu einem beeindruckenden Gesamtbild der „politi-
schen Theorie“ in Byzanz werden ließ. Schon 1965 folgte sein „Reich der Neuen
Mitte“, seine umfassende Darstellung der vom christlichen Geist so nachhaltig
geformten byzantinischen Kultur in ihren griechisch-römischen Wurzeln, gleichsam
sein „Credo“ als Byzantinist. Der stattliche Band, von dem vor kurzem (2000) auch
eine bulgarische Übersetzung erschien, ist weitaus mehr als eine byzantinische „Kul-
turgeschichte“ im landläufigen Sinn: Sein besonderes Anliegen gilt der Auslotung des
„christlichen Humanismus“ - ein für Hungers Persönlichkeit zentraler Begriff -, der
in den Mittelpunkt der Darstellung des Werdens, des Blühens und des Vergehens
von Byzanz gerückt wird. - Nur am Rande sei bemerkt, daß mit diesen beidenmonu-
menta nere perenmora keineswegs alle selbständigen Publikationen aus Hungers
„mittlerer“ Schaffensperiode abgedeckt sind (von der bereits erwähnten kontinuierli-
chen Weiterführung der Katalogisierung der Wiener griechischen Handschriften ganz
zu schweigen): Man darf auf keinen Fall zwei bemerkenswerte editorische Leistungen
vergessen, die Hunger in den sechziger Jahren setzte, seine 1969 erschienene kritische
Ausgabe der Briefe, Gedichte und kleineren Schriften des loannes Chortasmenos
(ca. 1370-ca. 1436/37) und die nur ein Jahr früher (1968) publizierte Edition der
Katomyomachia des Theodoros Prodromos. Hier widmete Hunger besonders liebe-
volle Aufmerksamkeit der Übertragung dieses byzantinischen „Katz-Mäuse-Krieges“
ins Deutsche, und wiederum kann man in dem einen oder anderen Detail Hungers
Vertrautheit mit Johann Nestroy konstatieren - etwa wenn er als Übersetzung für den
Namen des bramarbasierenden mäusischen „Helden“ Kreillos den Ausdruck „Flei-
scherl“ (er)findet.
Daneben - man zögert ein wenig, dieses Wort zu verwenden - vollzog sich Hun-
gers Eintritt in das Präsidium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften:
Nachdem er 1959 zum korrespondierenden, 1962 zum wirklichen Mitglied der philo-
sophisch-historischen Klasse gewählt worden war, folgten 1963 seine Wahl zum
Sekretär dieser Klasse und 1964 seine Wahl zum Generalsekretär der Akademie, eine
Funktion, in der er im Jahre 1968 bestätigt wurde. Was er alles von dieser Stellung aus
in Angriff nahm (und erreichte), läßt sich kaum in wenigen Worten beschreiben; e plu-
ribus unum vel duo (auch im Sinne eines Cicero pro domo sua): In diese Zeit fällt die
Umwandlung der Kommission für Byzantinistik in eine effiziente wissenschaftliche
Arbeitsstelle mit eigenem Personal und mit eigenen Publikationsorganen (etwa den
„Wiener Byzantinistischen Studien“) oder die Gründung der Kommission für die
 
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