150
Nachrufe
sionen der Akademie, von denen er so manche als Obmann in der ihm eigenen Tat-
kraft leitete, etwa die Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters oder
die Kommission zur Herausgabe des Corpus der lateinischen Kirchenväter - und
Hunger wäre nicht Hunger gewesen, wenn er nicht auch selbst aktiv an den For-
schungsaufgaben dieser Kommissionen Anteil genommen hätte, etwa an den „Kir-
chenvätern“ mit seiner Edition der von Prochoros Kydones in der zweiten Hälfte des
14.Jahrhunderts angefertigten griechischen Übersetzung von acht Briefen des hl.
Augustinus (1984) oder mit „Prochoros Kydones’ Übersetzungen von S. Augustinus,
De libero arbitrio I 1-90, und Pseudo-Augustinus, De decem plagis Aegyptiorum“
(1990): Der alte Leibniz’sche Wahlspruch theoria mm praxi wurde von Herbert Hun-
ger in allen seinen Funktionen stets in einzigartiger Weise verwirklicht.
In die Jahre, in denen Hunger als Präsident der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften vorstand, fällt auch ein für die österreichische Byzantinistik unge-
mein wichtiges Ereignis: Seiner Initiative ist es zu verdanken, daß „sein“ Universitäts-
institut in unmittelbarer Nähe der Akademie, im alten Universitätsviertel, im Trakt
Postgasse 7-9, eine neue, räumlich großzügig ausgestattete Heimstätte fand, im näm-
lichen Stockwerk wie „seine“ Kommissionen für Byzantinistik und für die Tabula
Imperii Byzantini. Auf diese Weise entstand so etwas wie ein modernes Imperium
Byzantinum, das Herbert Hunger freilich nicht wie ein byzantinischer aÜTOXQCtTCDQ,
sondern wie ein pater familias im besten und wahrsten Sinne des Wortes leitete.
Weitere Studentengenerationen gesellten sich zu den „Schülern der ersten Stunde", die
von Hunger inzwischen mit verschiedenen verantwortungsvollen Aufgaben betraut
worden waren und nunmehr „auszufliegen“ begannen - von ihm in Wien ausgebilde-
te junge Wissenschaftler erhielten Rufe an die Universitäten Bonn und Mainz, und
andere Schüler Hungers sind heute an den Universitäten loannina und Würzburg
tätig.
Diese zahlreichen organisatorisch-administrativ ausgerichteten Aktivitäten (zu
denen im Studienjahr 1970/1971 auch noch die Würde und die Aufgaben eines Dekans
der damals noch ungeteilten Philosophischen Fakultät der Universität Wien gekom-
men waren) brachten Hungers wissenschaftliche Schaffenskraft freilich in keiner
Weise zum Erlahmen: In die soeben apostrophierte Zeitspanne, in die siebzigerJahre,
fallen die Abschlußarbeiten an Hungers gewaltigem Werk, an seiner zweibändigen, an
die 1.100 Seiten füllenden „Hochsprachlichen profanen Literatur der Byzantiner“
(1978; neugriechische Übersetzung unter dem Titel «But,avTivf| koyOTE/via»
1987-1994), mit dem er die entsprechenden Teile des bisher in der Byzantinistik gän-
gigen Handbuches, der „Geschichte der byzantinischen Litteratur“ Karl Krumba-
chers, des Begründers der modernen wissenschaftlichen Byzantinistik am Ende des 19.
Jahrhunderts, mehr als nur erneuerte und ersetzte. Eine ausgewogene Würdigung die-
ses opus magnum würde den vorgegebenen Rahmen bei weitem überschreiten; es seien
ganz einfach die Worte eines Rezensenten zitiert, der seine Besprechung von Hungers
großem Wurf wie folgt schloß: „Im Jahre 1978 kann man, ohne den Verdacht von
Byzantinismus zu erregen, die Prognose wagen: ein Werk, das das Jahrtausend über-
dauern wird.“
Unter diesem Aspekt mag es auch nicht zufällig sein, daß Herbert Hunger den von
ihm geleiteten 16. Internationalen Byzantinistenkongreß in Wien (1981) unter das
Leitmotiv „Byzantinistik 2000“ stellte: 1976, anläßlich seiner Wahl zum Präsidenten
der Association Internationale des Etudes Byzantines, mit der Ausrichtung dieser wis-
Nachrufe
sionen der Akademie, von denen er so manche als Obmann in der ihm eigenen Tat-
kraft leitete, etwa die Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters oder
die Kommission zur Herausgabe des Corpus der lateinischen Kirchenväter - und
Hunger wäre nicht Hunger gewesen, wenn er nicht auch selbst aktiv an den For-
schungsaufgaben dieser Kommissionen Anteil genommen hätte, etwa an den „Kir-
chenvätern“ mit seiner Edition der von Prochoros Kydones in der zweiten Hälfte des
14.Jahrhunderts angefertigten griechischen Übersetzung von acht Briefen des hl.
Augustinus (1984) oder mit „Prochoros Kydones’ Übersetzungen von S. Augustinus,
De libero arbitrio I 1-90, und Pseudo-Augustinus, De decem plagis Aegyptiorum“
(1990): Der alte Leibniz’sche Wahlspruch theoria mm praxi wurde von Herbert Hun-
ger in allen seinen Funktionen stets in einzigartiger Weise verwirklicht.
In die Jahre, in denen Hunger als Präsident der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften vorstand, fällt auch ein für die österreichische Byzantinistik unge-
mein wichtiges Ereignis: Seiner Initiative ist es zu verdanken, daß „sein“ Universitäts-
institut in unmittelbarer Nähe der Akademie, im alten Universitätsviertel, im Trakt
Postgasse 7-9, eine neue, räumlich großzügig ausgestattete Heimstätte fand, im näm-
lichen Stockwerk wie „seine“ Kommissionen für Byzantinistik und für die Tabula
Imperii Byzantini. Auf diese Weise entstand so etwas wie ein modernes Imperium
Byzantinum, das Herbert Hunger freilich nicht wie ein byzantinischer aÜTOXQCtTCDQ,
sondern wie ein pater familias im besten und wahrsten Sinne des Wortes leitete.
Weitere Studentengenerationen gesellten sich zu den „Schülern der ersten Stunde", die
von Hunger inzwischen mit verschiedenen verantwortungsvollen Aufgaben betraut
worden waren und nunmehr „auszufliegen“ begannen - von ihm in Wien ausgebilde-
te junge Wissenschaftler erhielten Rufe an die Universitäten Bonn und Mainz, und
andere Schüler Hungers sind heute an den Universitäten loannina und Würzburg
tätig.
Diese zahlreichen organisatorisch-administrativ ausgerichteten Aktivitäten (zu
denen im Studienjahr 1970/1971 auch noch die Würde und die Aufgaben eines Dekans
der damals noch ungeteilten Philosophischen Fakultät der Universität Wien gekom-
men waren) brachten Hungers wissenschaftliche Schaffenskraft freilich in keiner
Weise zum Erlahmen: In die soeben apostrophierte Zeitspanne, in die siebzigerJahre,
fallen die Abschlußarbeiten an Hungers gewaltigem Werk, an seiner zweibändigen, an
die 1.100 Seiten füllenden „Hochsprachlichen profanen Literatur der Byzantiner“
(1978; neugriechische Übersetzung unter dem Titel «But,avTivf| koyOTE/via»
1987-1994), mit dem er die entsprechenden Teile des bisher in der Byzantinistik gän-
gigen Handbuches, der „Geschichte der byzantinischen Litteratur“ Karl Krumba-
chers, des Begründers der modernen wissenschaftlichen Byzantinistik am Ende des 19.
Jahrhunderts, mehr als nur erneuerte und ersetzte. Eine ausgewogene Würdigung die-
ses opus magnum würde den vorgegebenen Rahmen bei weitem überschreiten; es seien
ganz einfach die Worte eines Rezensenten zitiert, der seine Besprechung von Hungers
großem Wurf wie folgt schloß: „Im Jahre 1978 kann man, ohne den Verdacht von
Byzantinismus zu erregen, die Prognose wagen: ein Werk, das das Jahrtausend über-
dauern wird.“
Unter diesem Aspekt mag es auch nicht zufällig sein, daß Herbert Hunger den von
ihm geleiteten 16. Internationalen Byzantinistenkongreß in Wien (1981) unter das
Leitmotiv „Byzantinistik 2000“ stellte: 1976, anläßlich seiner Wahl zum Präsidenten
der Association Internationale des Etudes Byzantines, mit der Ausrichtung dieser wis-