15. Mai 2004 | 41
Das königliche Bauprogramm
Von seiner Thronbesteigung an begann Ludwig II. mit einem gewaltigen Baupro-
gramm königlicher Schlösser, die mit der kostbarsten Einrichtung und der technisch
modernsten Ausstattung versehen wurden. Damit bewegte er sich in der Tradition
absolutistischer Herrscher, die mit solcher Prachtentfaltung majestätische Macht und
Größe demonstrierten.
Ludwigs Programm unterschied sich davon in zweierlei Hinsicht.
1. Die Baukosten wurden nicht aus dem Staatshaushalt sondern aus seiner Kabi-
nettskasse finanziert. Die Kabinettskasse war unter dem Dach der ‘Zivilliste’ seit
1834 aus dem Staatshaushalt ausgegliedert. Der König hatte daraus seine Hofhal-
tung (Hoftheater, Hofkapelle etc.), Ruhestandspensionen und die Unterhaltung
der königlichen Gebäude und Gärten zu finanzieren. Nur was danach verblieb,
konnte er frei verwenden. Die Zivilliste unterlag dem bürgerlichen Gesetzbuch,
nicht aber der über dem Gesetz stehende König.
2. Seme Schlösser dienten weder der festlichen Repräsentation noch der herrscher-
lichen Anbindung des Adels und der hohen Beamtenschaft wie die Schlösser Ver-
sailles oder Schönbrunn.
Ludwig II. schuf die Schlösser als Inszenierung seiner unzeitgemäßen Idee absoluten
Herrschertums nach dem Vorbild Ludwig XIV und wollte sie wegen seiner Men-
schenscheu nicht durch das „gemeine Volk“ „entweihen“ lassen.
Nur über die größten Vorhaben läßt sich kurz berichten:
Nach seiner Thronbesteigung begann er mit dem großartigen Ausbau eines
zweiten Wintergartens und seiner königlichen Apartments in der Münchner Resi-
denz. Bald danach folgte das zunächst als Ritterburg nach dem Vorbild der Wartburg
geplante, dann als Gralsburg des Schwanenritters Lohengrin auf einem Felsen in
herausragend schöner Lage — „heilig und unnahbar“ - erbaute Neuschwanstein.
Neuschwanstein sollte mit einer weiteren Ritterburg in etwa 20 km Entfernung —
Falkenstein, die nicht mehr verwirklicht wurde, - einen großen Landschaftspark bil-
den. Parallel zum Bau von Neuschwanstein wurde Schloß Linderhof in einem ein-
samen Alpental, dem Graswangtal, errichtet. Es sollte den Lustschlössern Tnanon und
Marly nachempfunden werden, die Ludwig XIV. gedient haben sollen „dem lästigen,
ewigen Einerlei des Hofzeremoniells“ zu entgehen. 1878 legte der König nach
intensivem Literaturstudium und detaillierter Planung auf der Herreninsel im
Chiemsee den Grundstein zum Schloß Herrenchiemsee nach dem Vorbild von Ver-
sailles. Pracht und Prunk dieses Schlosses - ein Spiegelsaal von 98 m mit Lüstern und
Kandelabern für 1848 Kerzen, ein Prunkschlafzimmer, das nie benutzt werden
sollte — sind kaum zu übertreffen.
Ludwig II. und die Kaiserkrönung
1870, vier Jahre nach dem Vertrag von Berlin, mußte die bayerische Armee unter
dem Kommando des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm in den Krieg
gegen Frankreich ziehen. Ludwig hatte erneut Abdankungspläne und Suizidideen
und zog sich in seine Berge zurück. Der deutsche Nationalismus hatte mit dem Sieg
über Frankreich unbeschreiblichen Auftrieb erfahren. Bismarck, Graf Bray, der vor-
Das königliche Bauprogramm
Von seiner Thronbesteigung an begann Ludwig II. mit einem gewaltigen Baupro-
gramm königlicher Schlösser, die mit der kostbarsten Einrichtung und der technisch
modernsten Ausstattung versehen wurden. Damit bewegte er sich in der Tradition
absolutistischer Herrscher, die mit solcher Prachtentfaltung majestätische Macht und
Größe demonstrierten.
Ludwigs Programm unterschied sich davon in zweierlei Hinsicht.
1. Die Baukosten wurden nicht aus dem Staatshaushalt sondern aus seiner Kabi-
nettskasse finanziert. Die Kabinettskasse war unter dem Dach der ‘Zivilliste’ seit
1834 aus dem Staatshaushalt ausgegliedert. Der König hatte daraus seine Hofhal-
tung (Hoftheater, Hofkapelle etc.), Ruhestandspensionen und die Unterhaltung
der königlichen Gebäude und Gärten zu finanzieren. Nur was danach verblieb,
konnte er frei verwenden. Die Zivilliste unterlag dem bürgerlichen Gesetzbuch,
nicht aber der über dem Gesetz stehende König.
2. Seme Schlösser dienten weder der festlichen Repräsentation noch der herrscher-
lichen Anbindung des Adels und der hohen Beamtenschaft wie die Schlösser Ver-
sailles oder Schönbrunn.
Ludwig II. schuf die Schlösser als Inszenierung seiner unzeitgemäßen Idee absoluten
Herrschertums nach dem Vorbild Ludwig XIV und wollte sie wegen seiner Men-
schenscheu nicht durch das „gemeine Volk“ „entweihen“ lassen.
Nur über die größten Vorhaben läßt sich kurz berichten:
Nach seiner Thronbesteigung begann er mit dem großartigen Ausbau eines
zweiten Wintergartens und seiner königlichen Apartments in der Münchner Resi-
denz. Bald danach folgte das zunächst als Ritterburg nach dem Vorbild der Wartburg
geplante, dann als Gralsburg des Schwanenritters Lohengrin auf einem Felsen in
herausragend schöner Lage — „heilig und unnahbar“ - erbaute Neuschwanstein.
Neuschwanstein sollte mit einer weiteren Ritterburg in etwa 20 km Entfernung —
Falkenstein, die nicht mehr verwirklicht wurde, - einen großen Landschaftspark bil-
den. Parallel zum Bau von Neuschwanstein wurde Schloß Linderhof in einem ein-
samen Alpental, dem Graswangtal, errichtet. Es sollte den Lustschlössern Tnanon und
Marly nachempfunden werden, die Ludwig XIV. gedient haben sollen „dem lästigen,
ewigen Einerlei des Hofzeremoniells“ zu entgehen. 1878 legte der König nach
intensivem Literaturstudium und detaillierter Planung auf der Herreninsel im
Chiemsee den Grundstein zum Schloß Herrenchiemsee nach dem Vorbild von Ver-
sailles. Pracht und Prunk dieses Schlosses - ein Spiegelsaal von 98 m mit Lüstern und
Kandelabern für 1848 Kerzen, ein Prunkschlafzimmer, das nie benutzt werden
sollte — sind kaum zu übertreffen.
Ludwig II. und die Kaiserkrönung
1870, vier Jahre nach dem Vertrag von Berlin, mußte die bayerische Armee unter
dem Kommando des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm in den Krieg
gegen Frankreich ziehen. Ludwig hatte erneut Abdankungspläne und Suizidideen
und zog sich in seine Berge zurück. Der deutsche Nationalismus hatte mit dem Sieg
über Frankreich unbeschreiblichen Auftrieb erfahren. Bismarck, Graf Bray, der vor-