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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2004 — 2004

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I. Das Geschäftsjahr 2004
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Jahresfeier am 15. Mai 2004
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Häfner, Heinz: Ein unzurechtnungsfähiger (?) König an einem Wendepunkt deutscher Geschichte - Ludwig II. von Bayern
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https://doi.org/10.11588/diglit.66960#0030
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JAHRESFEIER

sitzende Minister Bayerns, und der vom Gebietsanspruch Ludwigs II. (Verbindung
von Bayern und Pfalz durch Odenwald und Nordbaden) betroffene Friedrich
Großherzog von Baden drängten Ludwig II., König Wilhelm von Preußen die deut-
sche Kaiserkrone anzutragen. Nachdem sich Graf Bray, der Verhandlungsführer
Bayerns, „mit dürren Worten“ geweigert hatte, den Wunsch des Königs auf zwei Mil-
lionen Gulden an Bismarck heranzutragen, sandte der König seinen Marstallfourier
Graf Holnstein nach Versailles. Ihm gelang es, den preußischen Gesandten am Bayeri-
schen Hof, Freiherr von Wertheim, für sein Vorhaben zu gewinnen. Er setzte sich mit
einem Telegramm an Bismarck nachdrücklich für den Geldwunsch des Königs em.
Die Zivilliste des Königs war zu dieser Zeit noch schuldenfrei. Bismarck stellte
v. Holnstein ohne Nennung einer Summe in Aussicht, den König finanziell zu unter-
stützen [R. Hacker, 1972], Nachdem das Königreich Bayern am 23. 11. 1870 dem
Deutschen Bund beigetreten war, brachte v. Holnstein am 30.11. 1870 einen von
Bismarck verfaßten Briefentwurf nach Hohenschwangau. Ludwig sollte dann
erklären, daß er sich mit dem Vorschlag an die deutschen Fürsten gewandt habe,
gemeinschaftlich anzuregen, der König von Preußen möge, mit Ausübung der Prä-
sidialrechte des Deutschen Bundes, den Titel eines Deutschen Kaisers führen.5 Lud-
wig II. lag mit starken Kieferschmerzen im Bett. Nach heftigen Diskussionen, aus-
schließlich mit Graf Holnstein, unterzeichnete er einen wahrscheinlich von Graf
Bray und v. Holnstein überarbeiteten Kaiserbrief [R. Hacker, in „Zeitschrift für
bayer. Landesgeschichte“, 2002, S. 911ff.]. Nach Zustimmung des bayerischen
Ministerrats und der deutschen Fürsten und Städte übergab Prinz Luitpold von
Bayern diesen Brief im Hauptquartier von Versailles an Wilhelm I. „in sehr nüchter-
ner Form“. Mit der Kaiserproklamation am 18. 1. 1871 war der Souveränitätsverlust
der deutschen Königs- und Fürstentümer und der freien Reichsstädte besiegelt. Das
Bekanntwerden des Kaiserbriefes führte in Bayern teils zu heftiger Kritik teils zu
begeisterter Zustimmung. Ludwig machte sich schwerste Vorwürfe und dachte
erneut an Abdankung und Selbstmord.
An seine ehemalige Gouvernante Frau v. Leonrod, seine lebenslange Vertrau-
ensperson, schrieb er im September 1871: „Dass gerade der letzte Krieg, der in anderer
Beziehung, so ruhmvoll für Bayern endigte, mich und das Land in die eisernen Klammern des
verdammten deutschen Reiches mit seiner preußischen Führung einzuzwängen beitrug, dieser
unselige, von vielen aber begeisterungsvoll geliebte Krieg... ‘‘und wenige Monate vorher am

3 Bismarck schlug Ludwig II. folgenden „Kaiserbrief1 vor:
„Die Erklärungen meiner Minister über den Eintritt Bayerns zum Deutschen Bunde haben meine Bereit-
willigkeit dargethan dem Präsidium des Bundes die Rechte zu übertragen, deren Vereinigung in Einer Hand
Mir durch die Gesamtinteressen des deutschen Vaterlandes und seiner verbündeten Fürsten geboten schien.
Ich habe mich dazu in dem Vertrauen entschlossen, daß die dem Präsidium nach der Verfassung zustehen-
den Rechte durch Wiederherstellung der deutschen Kaiserwürde als Rechte bezeichnet werden, welche Ew.M.
im Namen des gesammten Vaterlandes, auf Grund der Einigung seiner Fürsten ausüben. Ich habe daher
meine Regierung beauftragt, bei den verbündeten deutschen Regierungen eine Vereinbarung darüber in Vor-
schlag zu bringen, daß die Ausübung der Präsidial-Rechte des Bundes mit Führung des Titels eines deut-
schen Kaisers verbunden werde. “ [Bayer. Hauptstaatsarchiv München]
 
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