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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2004 — 2004

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I. Das Geschäftsjahr 2004
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Jahresfeier am 15. Mai 2004
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Häfner, Heinz: Ein unzurechtnungsfähiger (?) König an einem Wendepunkt deutscher Geschichte - Ludwig II. von Bayern
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https://doi.org/10.11588/diglit.66960#0039
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15. Mai 2004 | 51

gerückt: „so hatte man also eine vollkommen organisierte Verschwörung des bayerischen Mini-
steriums mit dem Thron zunächst stehenden Agnaten vor sich Ähnliche, oft in Andeu-
tungen verpackte Zeitungsberichte waren in großer Zahl seit 1885 in- und außer-
halb Bayerns erschienen.
Als weiteres Symptom war Größenwahn genannt. Das ist näher an der Wahr-
heit. Ludwig II. neigte von Kindheit an zu Hochmut und zu hochfahrendem, zuwei-
len ausgesprochen despotischem Verhalten. Er versetzte sich - mit dem Vorbild des
Sonnenkönigs - in die Fiktion eines absoluten, in Anspruch, Macht und Pracht über-
alles hinausragenden Herrschertums und verlangte von einigen seiner Lakaien
Unterwerfung und ein rigides Hofzeremoniell. Man kann dies politisch als Verhar-
ren im Geist einer vergangenen Epoche und psychologisch als Kompensation tief-
sitzender Ängste vor Erniedrigung und Entwürdigung beschreiben.
Seine Schlösser dienten der Inszenierung dieser absolutistischen Herrscherfik-
tion. Aber all diese narzißtischen Eitelkeiten und wundersamen Größenphantasien
sind kein Wahn im strengen psychopathologischem Sinne.
Für Wahngewißheit, em Kriterium echten Wahns, ist jedenfalls kein Hinweis
zu finden, was an Ludwigs Reflexionen über seine Eigenarten erkennbar wird.
„Es wird of hämisch angedeutet oder sogar offen erklärt, ich sei ein Narr. Vielleicht bin
ich es, aber ich zweifle daran. Verrücktheit neigt eher dazu, sich vor sich selbst zu verstecken.
Ein wirklich Verrückter ist in der Regel die einzige Person, die ihre Verrücktheit nicht erkennt.
... Ich glaube aber, dass ich mich ganz ruhig und vernünftig betrachten kann —... “.
Geistesschwäche
Das letzte Diagnosekriterium der Gutachter ist Geistesschwäche: „Die geistigen Kräfte
S.M. sind bereits dermaßen zerrüttet, daß alle und jede Einsicht fehlt, das Denken mit der
Wirklichkeit in vollem Widerspruch sich befindet, das Handeln ein unfreies ist und allerhöchst
Dieselben im Wahne absoluter Machtfülle vereinsamt durch eigene Isolierung wie ein Blinder
ohne Führer am Rande des Abgrundes stehen “.
Zahlreiche Argumente werden dafür ins Feld geführt: etwa Anordnung unge-
deckter Ausgaben, impulsiver aber auch distanzlos-intimer Umgang mit der Diener-
schaft. Auch von Grausamkeiten wird berichtet. Der König sei unreinlich beim
Essen, habe Grimassen vor dem Spiegel gezogen, sich an Bart und Haaren gezupft,
getanzt und im Nachtgewand heftige Bewegungen ausgeführt, wenn er alleine im
Zimmer war. Mit einer objektiven Darstellung können wir hier nicht rechnen. Die
ans Licht gezerrten Details aus dem Intimbereich des Königs, der zweifellos abnor-
me Persönlichkeitszüge aufwies, nämlich hohe Empfindsamkeit, Narzißmus und
übertriebenes Selbstgefühl, homoerotische Neigungen und reduzierte Impuls-
kontrolle, die sich ohne wirksame Korrektur durch seine Umwelt teilweise zu patho-
logischen Ausmaßen entwickelt hatten, überläßt man besser der Diskretion. Ihre
Deutung als Symptome von Psychose oder Geistesschwäche steht auf schwachen
Beinen.
Für die Begründung der Geistesschwäche wurden auch die hektischen Auf-
träge der letzten Monate, Geld zu beschaffen und Verbrechenspläne dazu — etwa
den preußischen Kronprinzen zu entfuhren, ins Verlies zu sperren oder in Banken
 
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