15. Mai 2004
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Em solches Verhalten nennt man „Sucht“ und zwar ein „nicht stoffgebunde-
nes süchtiges Verhalten“ [D. Ebert, in Berger 2003, S. 965 ff]. Die häufigsten Formen
sind: Spielsucht (Glücksspiel), Kaufsucht (Consomanie), Pathologisches Stehlen
(Kleptomanie) und Pathologische Brandstiftung. Schloßbausucht ist verständlicher-
weise nicht darunter. Denn um diese Form der Bausucht entwickeln zu können,
mußte man entweder Herrscher sein oder in unseren Tagen über ein erhebliches
Kapital verfügen.
Die Dynamik süchtigen Verhaltens liegt im Bedürfnis nach Reduktion von
Erregung und Unlust. Nach der Befriedigung des Verlangens tritt Lust und Erleich-
terung ein. Dem folgt mehr oder weniger rasch wieder Unruhe und das Verlangen
nach neuer Befriedigung. Dieser fatale Zirkel und der Verlauf der Sucht lassen sich
am Glücksspiel demonstrieren, wozu Dostovjewskij in seinem Roman „Der Spie-
ler“ ein faszinierendes Zeugnis hinterlassen hat.
1-3% der erwachsenen Bevölkerung, überwiegend Männer, leiden derzeit an
Spielsucht [Berger, 2003; Perkonigg u.Wittchen, 1995]. Die Spielsucht hat ein Ver-
laufsmuster, das uns dem Verständnis der Bausucht näher bringen kann.
Auf ein meist einige Jahre dauerndes Anfangsstadium, worin das Spielen auf die
Freizeit beschränkt bleibt, folgt die Gewöhnungs- oder Verlustphase. Mit wachsenden
Verlusten steigt die Spielintensität. Höhere Einsätze erzwingen die Geldbeschaffung
durch Beleihen von Besitz oder Kredit von Angehörigen. Der Bezug zum realen
Geldwert geht verloren. Mit dem Fortschreiten der Verlustphase folgt die Verzweif-
lungsphase, in der die Selbstkontrolle verloren geht und ein Aufhören aus eigener
Kraft nicht mehr möglich ist. Alles verfügbare Geld wird eingesetzt. Trotz zuneh-
mender Reizbarkeit und erkennbarer Folgen wird weitergespielt, Geld um jeden
Preis beschafft, von etwa 50% der Spieler auch durch kriminelle Handlungen [Ber-
ger 2003].
Ludwig scheint in den letzten Monaten vor seinem Tod durch die wachsende
Schuldenlast und die Blockierung der Mittel in eine solche Verzweiflungsphase mit
Kontrollverlust geraten zu sein.
Der radikale Entzug aller Möglichkeiten süchtigen Verhaltens durch die Fest-
nahme hat Ludwig — was für viele Süchte charakteristisch ist — auf Ernüchterung
und Besonnenheit zurückgeworfen. Doch die erzwungene Abstinenz wurde zur
menschlichen Katastrophe.
Soziale Phobie
Obwohl das Erklärungsmodell Bausucht gut auf die motivationalen und künstleri-
schen Quellen in der Kindheit, das Auf und Ab der Stimmungen und Launen, die
wachsende Abhängigkeit des Königs bis zur Verzweiflungsphase paßt, erklärt es nicht
alles. Die auf solche Weise nicht erklärbaren, seit Jugend berichteten Ängste
des Königs vor anderen Menschen bezeichnet man als soziale Phobie [J. Angenendt,
U. Frommberger, M. Berger, in Berger 2003, S. 646ff.].
Soziale Phobie ist durch exzessive Angst vor einer negativen Wertung durch
andere Menschen charakterisiert. Soziale Phobie ist eine häufige und häufig schwe-
re Erkrankung. Auf Lebenszeit erkranken heute daran etwa 13% der erwachsenen
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Em solches Verhalten nennt man „Sucht“ und zwar ein „nicht stoffgebunde-
nes süchtiges Verhalten“ [D. Ebert, in Berger 2003, S. 965 ff]. Die häufigsten Formen
sind: Spielsucht (Glücksspiel), Kaufsucht (Consomanie), Pathologisches Stehlen
(Kleptomanie) und Pathologische Brandstiftung. Schloßbausucht ist verständlicher-
weise nicht darunter. Denn um diese Form der Bausucht entwickeln zu können,
mußte man entweder Herrscher sein oder in unseren Tagen über ein erhebliches
Kapital verfügen.
Die Dynamik süchtigen Verhaltens liegt im Bedürfnis nach Reduktion von
Erregung und Unlust. Nach der Befriedigung des Verlangens tritt Lust und Erleich-
terung ein. Dem folgt mehr oder weniger rasch wieder Unruhe und das Verlangen
nach neuer Befriedigung. Dieser fatale Zirkel und der Verlauf der Sucht lassen sich
am Glücksspiel demonstrieren, wozu Dostovjewskij in seinem Roman „Der Spie-
ler“ ein faszinierendes Zeugnis hinterlassen hat.
1-3% der erwachsenen Bevölkerung, überwiegend Männer, leiden derzeit an
Spielsucht [Berger, 2003; Perkonigg u.Wittchen, 1995]. Die Spielsucht hat ein Ver-
laufsmuster, das uns dem Verständnis der Bausucht näher bringen kann.
Auf ein meist einige Jahre dauerndes Anfangsstadium, worin das Spielen auf die
Freizeit beschränkt bleibt, folgt die Gewöhnungs- oder Verlustphase. Mit wachsenden
Verlusten steigt die Spielintensität. Höhere Einsätze erzwingen die Geldbeschaffung
durch Beleihen von Besitz oder Kredit von Angehörigen. Der Bezug zum realen
Geldwert geht verloren. Mit dem Fortschreiten der Verlustphase folgt die Verzweif-
lungsphase, in der die Selbstkontrolle verloren geht und ein Aufhören aus eigener
Kraft nicht mehr möglich ist. Alles verfügbare Geld wird eingesetzt. Trotz zuneh-
mender Reizbarkeit und erkennbarer Folgen wird weitergespielt, Geld um jeden
Preis beschafft, von etwa 50% der Spieler auch durch kriminelle Handlungen [Ber-
ger 2003].
Ludwig scheint in den letzten Monaten vor seinem Tod durch die wachsende
Schuldenlast und die Blockierung der Mittel in eine solche Verzweiflungsphase mit
Kontrollverlust geraten zu sein.
Der radikale Entzug aller Möglichkeiten süchtigen Verhaltens durch die Fest-
nahme hat Ludwig — was für viele Süchte charakteristisch ist — auf Ernüchterung
und Besonnenheit zurückgeworfen. Doch die erzwungene Abstinenz wurde zur
menschlichen Katastrophe.
Soziale Phobie
Obwohl das Erklärungsmodell Bausucht gut auf die motivationalen und künstleri-
schen Quellen in der Kindheit, das Auf und Ab der Stimmungen und Launen, die
wachsende Abhängigkeit des Königs bis zur Verzweiflungsphase paßt, erklärt es nicht
alles. Die auf solche Weise nicht erklärbaren, seit Jugend berichteten Ängste
des Königs vor anderen Menschen bezeichnet man als soziale Phobie [J. Angenendt,
U. Frommberger, M. Berger, in Berger 2003, S. 646ff.].
Soziale Phobie ist durch exzessive Angst vor einer negativen Wertung durch
andere Menschen charakterisiert. Soziale Phobie ist eine häufige und häufig schwe-
re Erkrankung. Auf Lebenszeit erkranken heute daran etwa 13% der erwachsenen