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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2004 — 2004

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: Das WIN-Kolleg
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1. Forschungsschwerpunkt: Gehirn und Geist: Physische und psychische Funktionen des Gehirns
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https://doi.org/10.11588/diglit.66960#0237
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Das WIN-Kolleg

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weise der einzelnen Komponenten in ihrer Wechselwirkung betrachtet werden. Ins-
besondere der erste Signalverarbeitungsschritt in den Zilien der Rezeptorneurone
beinhaltet bereits komplizierte biochemische Mechanismen, die wesentliche Verar-
beitungsschritte wie Adaptation und oszillierende Antworten leisten. Zudem bieten
die Möglichkeiten viraler genetischer Veränderungen der Rezeptorneurone ideale
Voraussetzungen, um detaillierte dynamische Modelle der Signalverarbeitung zu
verifizieren und damit das theoretische Verständnis der Signal Verarbeitung zu festi-
gen. Die Umwandlung des chemischen Signales (Geruchsstoffpräsentation) in elek-
trische Signale (Rezeptorstrom, Depolarisation der Zellmembran) findet in den Zili-
en statt: Von der Bindung der Geruchsstoffmoleküle an die Rezeptoren, Produktion
des Sekundärbotenstoffes cAMP bis zur Öffnung der Ca2+ Kanäle durch cAMP. Das
einströmende Ca2+ löst neben der Öffnung der Chlorid-Kanäle und der damit ver-
bundenen Depolarisation der Zellmembran, verschiedene Rückkopplungsmechams-
men aus. Die Bedeutung dieser verschiedenen Rückkopplungsmechanismen im
Hinblick auf die beiden Phänomene Adaptation und Oszillation wurden in der Lite-
ratur kontrovers diskutiert. Zum einen spielt bei der Adaptation auf kurzen Zeitska-
len der direkte negative Feedback von Ca2+/Calmodulin die dominante Rolle. Ande-
rerseits wurden die bei längerer Geruchsstoffpräsentation beobachteten Oszillationen
üblicherweise mit der Ca-induzierten Ausschüttung von Kalzium erklärt. In einer
Kooperation mit dem Fntz-Haber-Institut in Berlin und dem Max-Planck-Institut
für Physik komplexer Systeme in Dresden wurde mithilfe stöchiometrischer Netz-
werkanalyse ein auf dem direkten negativen Feedback basierendes Modell aufgestellt,
das sowohl die Experimente zur Adaptation als auch zu Oszillationen in sehr guter
Übereinstimmung reproduzieren kann. Bei der Modellierung wurde auf die Erfas-
sung der wesentlichen Mechanismen Wert gelegt. Aus den für die möglichen bio-
chemischen Reaktionsabläufe aufgestellten Differentialgleichungen konnten nun
durch die Erkenntnisse aus der Netzwerkanalyse die entscheidenden Terme ausge-
wählt und weiter untersucht werden. Dies erlaubt die Reduktion von einem mehr
als 10-dimensionalen Variabienraum auf die Betrachtung von 2—3 Variablen. Dabei
erhält man zusätzlich Informationen über die Bedeutung der Parameter für das
dynamische Verhalten. Das Modell beinhaltet realistische physiologische Parameter
und zeigt eine sehr gute Übereinstimmung mit experimentellen Resultaten von
T. Leinders-Zufall et al. zur Adaptation sowie von J. Reisert und Matthews zu Oszil-
lationen. Wie in den Doppelpuls-Experimenten vonT. Leinders-Zufall treten in der
Simulation eine schnelle vollständige Adaptation auf einen kurzen Geruchsstoffpuls
(100ms) und nach einer Erholungszeit von ca. 5s wieder eine annähernd normale
Sensitivität auf (Abb. 1A). Bei einer andauernden Geruchsstoffpräsentation mit
bestimmter Konzentration treten Oszillationen auf, die wie bei den Messungen von
Reisert und Matthews 11—12 Perioden innerhalb von 30 Sekunden zeigen (Abb.
1B). Die Existenz eines oszillatorischen Regimes wurde basierend auf der stöchio-
metrischen Netzwerkanalyse mit Hilfe eines erweiterten Routh-Schemas bewiesen.
Diese Resultate wurden mit einer numerischen Bifurkationsanalyse erweitert, um
quantitative Abhängigkeiten des oszillatorischen Regimes von physiologischen Para-
metern zu bestimmen. Die erstellten Bifurkationsdiagramme (Abb. IC) zeigen deut-
 
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