282 | FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES
Johannes von Salisbury verdient insofern besondere Beachtung, als er in
Kenntnis der gegensätzlichen .Modernismen’ seiner Zeit, deren Widersprüche im
Rückgriff auf die traditionelle Auffassung vom weisheithchen, Theorie und Praxis
verschränkenden Wissen zu versöhnen sucht. Im Rückgriff insbesondere auf Augu-
stins Zeichentheorie - sowie in Auseinandersetzung namentlich mit Hugo von St.
Viktor und Robertus Pullus einerseits und Gilbert Porreta, Peter Abaelard und den
sogenannten ‘Chartrensern’ andererseits - arbeitet Johannes heraus, daß das begriff-
liche Denken seinerseits unter vorbegrifflichen Bedingungen stattfindet, die dann
selbst nicht mehr begrifflich eingeholt werden können. Umgekehrt findet sich selbst
die theoretische Erkenntnis, insofern sie, gemessen an der unerreichbaren reinen
theoria, jederzeit defizient, perspektivisch und vorläufig bleibt, auf die praktische
Anwendung (sowie die Bestätigung durch sie) ausgerichtet, während die Praxis wie-
derum der theoretischen Orientierung bedarf. Die skizzierten historischen Zusam-
menhänge wurden in einer im Jahr 2004 abgeschlossenen monographischen Studie
zu Johannes von Salisbury („Examinatio sensus. Hermeneutik und christliche Skepsis
bei Johannes von Salisbury“) detailliert untersucht und werden derzeit mit Blick auf
die Kontroverse zwischen Berengar und Lanfranc weiterverfolgt.
Die im Bereich des Trivium und der sich etablierenden ‘wissenschaftlichen’
Theologie statthabenden Entwicklungen finden durchweg eine Entsprechung im
quadruvialen Bereich, wobei die sukzessive Verdrängung der hermeneutisch-symbo-
lischen Denkform, da an einer der logischen korrespondierenden mathematischen
Methode etwa einer naturwissenschaftlichen Erkenntnis (im spätmittelalterlichen
und frühneuzeitlichen Sinn) zunächst kaum Bedarf besteht, mit einem Bedeutungs-
verlust der quadruvialen artes einhergeht, denen deshalb im Kontext der scholasti-
schen Universitäten schließlich keine eigene Funktion zugewiesen wird. Unter die-
sem Aspekt untersucht das durch Nadja Germann betriebene Teilprojekt die Früh-
phase des Ausdifferenzierungsprozesses der Wissenschaften auf der Grundlage kom-
putistisch-astronomischer Quellen des 9. bis 11. Jahrhunderts mit dem Ziel, die Her-
ausbildung der dem Gesamtprojekt als Leitthese unterlegten spezifisch europäischen
Diskursivität im Bereich des Quadriviums zu greifen und ihre Charakteristika in
dieser frühen historischen Phase herauszuarbeiten. Im Mittelpunkt der Studie stehen
repräsentative Schriften, und zwar in erster Linie die komputistisch-astronomischen
Zeugnisse Abbos von Fleury (gest. 1004) und die Hermanns von Reichenau (gest.
1054). Erste Untersuchungen führten zu der Einschätzung, Abbos Computus sei als
eine für die komputistisch-astronomischen Anthologien des Untersuchungszeit-
raums exemplarische Quelle aufzufassen, an deren Beispiel die Charakteristika einer
symbolisch verfahrenden wissenschaftlichen Rationalität freigelegt werden können.
Demgegenüber zeigte sich in den Schriften Hermanns eine neuartige Instrumenta-
lisierung der Mathematik als maßgeblicher Methode innerhalb eines konsequent
formalisierten Regelwerks. Aufgrund ihrer Besonderheit lag der Schluß nahe, sie als
Zeugnisse für einen anderen, begrifflich-universalen Rationalitätstyp zu begreifen
und damit als Reflexe eines rationalitätsgeschichtlichen Wandels im Bereich des
Quadriviums.
Johannes von Salisbury verdient insofern besondere Beachtung, als er in
Kenntnis der gegensätzlichen .Modernismen’ seiner Zeit, deren Widersprüche im
Rückgriff auf die traditionelle Auffassung vom weisheithchen, Theorie und Praxis
verschränkenden Wissen zu versöhnen sucht. Im Rückgriff insbesondere auf Augu-
stins Zeichentheorie - sowie in Auseinandersetzung namentlich mit Hugo von St.
Viktor und Robertus Pullus einerseits und Gilbert Porreta, Peter Abaelard und den
sogenannten ‘Chartrensern’ andererseits - arbeitet Johannes heraus, daß das begriff-
liche Denken seinerseits unter vorbegrifflichen Bedingungen stattfindet, die dann
selbst nicht mehr begrifflich eingeholt werden können. Umgekehrt findet sich selbst
die theoretische Erkenntnis, insofern sie, gemessen an der unerreichbaren reinen
theoria, jederzeit defizient, perspektivisch und vorläufig bleibt, auf die praktische
Anwendung (sowie die Bestätigung durch sie) ausgerichtet, während die Praxis wie-
derum der theoretischen Orientierung bedarf. Die skizzierten historischen Zusam-
menhänge wurden in einer im Jahr 2004 abgeschlossenen monographischen Studie
zu Johannes von Salisbury („Examinatio sensus. Hermeneutik und christliche Skepsis
bei Johannes von Salisbury“) detailliert untersucht und werden derzeit mit Blick auf
die Kontroverse zwischen Berengar und Lanfranc weiterverfolgt.
Die im Bereich des Trivium und der sich etablierenden ‘wissenschaftlichen’
Theologie statthabenden Entwicklungen finden durchweg eine Entsprechung im
quadruvialen Bereich, wobei die sukzessive Verdrängung der hermeneutisch-symbo-
lischen Denkform, da an einer der logischen korrespondierenden mathematischen
Methode etwa einer naturwissenschaftlichen Erkenntnis (im spätmittelalterlichen
und frühneuzeitlichen Sinn) zunächst kaum Bedarf besteht, mit einem Bedeutungs-
verlust der quadruvialen artes einhergeht, denen deshalb im Kontext der scholasti-
schen Universitäten schließlich keine eigene Funktion zugewiesen wird. Unter die-
sem Aspekt untersucht das durch Nadja Germann betriebene Teilprojekt die Früh-
phase des Ausdifferenzierungsprozesses der Wissenschaften auf der Grundlage kom-
putistisch-astronomischer Quellen des 9. bis 11. Jahrhunderts mit dem Ziel, die Her-
ausbildung der dem Gesamtprojekt als Leitthese unterlegten spezifisch europäischen
Diskursivität im Bereich des Quadriviums zu greifen und ihre Charakteristika in
dieser frühen historischen Phase herauszuarbeiten. Im Mittelpunkt der Studie stehen
repräsentative Schriften, und zwar in erster Linie die komputistisch-astronomischen
Zeugnisse Abbos von Fleury (gest. 1004) und die Hermanns von Reichenau (gest.
1054). Erste Untersuchungen führten zu der Einschätzung, Abbos Computus sei als
eine für die komputistisch-astronomischen Anthologien des Untersuchungszeit-
raums exemplarische Quelle aufzufassen, an deren Beispiel die Charakteristika einer
symbolisch verfahrenden wissenschaftlichen Rationalität freigelegt werden können.
Demgegenüber zeigte sich in den Schriften Hermanns eine neuartige Instrumenta-
lisierung der Mathematik als maßgeblicher Methode innerhalb eines konsequent
formalisierten Regelwerks. Aufgrund ihrer Besonderheit lag der Schluß nahe, sie als
Zeugnisse für einen anderen, begrifflich-universalen Rationalitätstyp zu begreifen
und damit als Reflexe eines rationalitätsgeschichtlichen Wandels im Bereich des
Quadriviums.