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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2013 — 2014

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I. Das akademische Jahr 2013
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Antrittsreden
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Boehm, Thomas: Antrittsrede von Herrn Thomas Boehm an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 27. April 2013
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https://doi.org/10.11588/diglit.55655#0143
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ANTRITTSREDEN

hen, und sich nicht nur in den Ferien mit ihrer weitenVerwandtschaft einschließlich
der Großeltern treffen. So kam es, dass es uns nach Südbaden verschlug, zwar damit
nicht in unmittelbarer Nähe zu Hessen, aber doch immerhin nahe genug, um das
Heimweh zu heilen. In meiner kleinen Arbeitsgruppe an der Universität Freiburg
stellten wir uns die Aufgabe, das für eine schwere Immundefizienz bei Mäusen ver-
antwortliche Gen aufzufinden. Diese Mäuse hatten in der immunologischen For-
schung und der Transplantationsmedizin eine besondere Bedeutung erlangt, weil sie
wegen der Immunschwäche keine Abstoßungsreaktionen zeigten und damit zur
Verpflanzung artfremden Gewebes besonders geeignet waren; in der Krebsforschung
war das Tiermodell der sogenannten Nacktmäuse beziehungsweise Nacktratten
wichtig, weil man damit das Wachstumsverhalten menschlicher Tumoren in einem
intakten Organismus untersuchen und auf Empfindlichkeit gegenüber Medikamen-
ten testen konnte. Die Gutachter der Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstütz-
ten diesen Vorschlag, so dass die großzügige Sachbeihilfe einen raschen Fortschritt
unserer Arbeiten ermöglichte. Glücklicherweise wussten weder die Gutachter noch
ich, dass am Massachussetts Institute ofTechnology, an der Universität von Kyoto und
der in Melbourne an genau dem gleichen Problem gearbeitet wurde; sonst wären
wir sicher nicht so unbekümmert zu Werke gegangen, wie wir es taten. Wir ersan-
nen eine für den damaligen Erfolg entscheidende, heute jedoch obsolete Methode,
aus den Weiten des genetischen Materials diejenigen Anteile anzureichern, die die
Information für Proteine tragen. Und nachdem wir mit Hilfe klassischer Kreuzungs-
verfahren den für die Immundefizienz verantwortlichen Bereich auf ein Chromo-
som der Maus eingegrenzt hatten, war es rasch möglich, ein Gen zu identifizieren,
dessen Eigenschaften den Erwartungen an eine zentrale Steuerfunktion zukam. Wie
sich zeigte, war dieses Gen dafür verantwortlich, die Mikroumgebung des Thymus
auszubilden. Der Thymus ist den Gourmets als Bries bekannt und als Delikatesse
geschätzt. Im Organismus ist er jedoch dafür verantwortlich, die Entwicklung wich-
tiger Abwehrzellen, der sogenannten T-Zellen zu befördern. Ohne diese kommt die
Infektionsabwehr zum Erliegen, und führt nicht nur beim Tier, sondern auch beim
Menschen rasch zum Tod.
Ich hatte das Glück, dass sich Harald zur Hausen für unsere Arbeiten interes-
sierte und mich ermutigte, mich um eine Stelle am Deutschen Krebsforschungszen-
trum zu bewerben. Dieses Ansuchen hatte Erfolg und so wechselten wir Ende 1998
an das DKFZ, nun mit weitaus besseren Arbeitsmöglichkeiten. Diese nutzte ich, um
unsere Forschungsthemen zu erweitern. Wir interessieren uns seither nicht nur für
die Frage wie lymphoide Organe im Verlaufe der Embryonalentwicklung entstehen
und im erwachsenen Organismus die für die Immunabwehr notwendigen Zellen zur
Verfügung stellen, sondern auch für die Evolution von Immunsystemen. Im Folgen-
den will ich Ihnen einige ausgewählte Fragen näherbringen.
Wie Sie wissen, entwickelten sich auf der Erde vor etwa 550 Millionen
Jahren die ersten Wirbeltiere, deren Immunsystem deutlich komplexer als jenes
der Wirbellosen ist. Ein besonderes Merkmal des Immunsystems der Wirbeltiere
ist es, Abermillionen von Rezeptoren sozusagen aufVerdacht herzustellen, die
praktische jede Fremdstruktur zu erkennen in der Lage sind. Die Unterschei-
 
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