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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2015 — 2016

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A. Das akademische Jahr 2015
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III. Veranstaltungen
DOI Artikel:
Zeilinger, Anton: Verschränkte Photonen: von Einsteins Kritik an der Quantenphysik
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https://doi.org/10.11588/diglit.55653#0140
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III. Veranstaltungen

Unser lokal realistisches Modell, das wir soeben aufgestellt haben, kann die
perfekten Korrelationen vollständig erklären, das heißt, diejenigen Messresultate,
die auftreten, wenn an beiden Seiten dieselbe Schalterstellung gewählt wurde.
Man nennt diese Eigenschaften, die jedes Teilchen für sich selbst trägt, verbor-
gene Variable, da es nicht notwendig ist, dass sie einer direkten Beobachtung zu-
gänglich sind. Sie müssen lediglich die Messergebnisse auf der jeweiligen Seite
festlegen.
Wir stellen uns als nächstes die Frage, welche Messresultate unser Modell
vorhersagt, wenn die Schalterstellungen bei Messstation A und bei Messstation B
nicht die gleichen sind, wenn wir also alle Kombinationen von x, y und z zulassen.
Aus unserem Modell folgt nicht, dass die Resultate nun auch in diesen Fällen auf
beiden Seiten unbedingt gleich sein müssen. Dies galt ja nur dann, wenn die Schal-
terstellungen identisch waren. Es kann also jetzt nicht nur + + oder — auftreten,
sondern auch + - oder - + . Es ist evident, dass unser Modell, das für perfekte
Korrelationen aufgestellt wurde, nicht klar genug ist, um genau vorherzusagen,
wie häufig diese beiden Möglichkeiten vorkommen werden.
John Bell konnte aber zeigen, dass diese Kombinationen nicht beliebig oft
auftreten können, sondern dass es für deren Häufigkeit gewisse Grenzen gibt. Die-
se Grenzen werden durch die sog. Bell’sche Ungleichung ausgedrückt.
3. Die Bell’sche Ungleichung für Nichtphysiker
Um die Bell’sche Ungleichung für die Allgemeinheit leichter zugänglich zu
machen, übersetzen wir im Folgenden ihre Sprache in die Alltagssprache. Das
Argument folgt aber im Wesentlichen einer Arbeit von Eugene Wigner, die auf
Bell aufbaut [4]. Anstatt der Teilchenpaare, die der Physiker nimmt, betrachten
wir identische Zwillinge. Den drei Messungen x, y oder z entspricht die Be-
obachtung dreier Eigenschaften: Körpergröße, Haarfarbe und Augenfarbe. Bei
der Körpergröße sind dies „groß“ oder „klein“, bei der Haarfarbe „blond“ oder
„schwarzhaarig“ und bei der Augenfarbe „blau“ oder „braun“. Wir beschränken
uns auf Beobachtungsergebnisse, die nur zwei Antworten entsprechend + oder
- zulassen. Bei der Körpergröße sind dies groß oder klein, bei der Haarfarbe
blond oder schwarz und bei der Augenfarbe blau oder braun. Zwillinge, die ab-
weichende Eigenschaften, wie etwa Augenfarbe oder Haarfarbe, haben, lassen
wir außer Acht.
Ganz offenbar zeigen unsere identischen Zwillinge die vorher diskutierten
perfekten Korrelationen. Ist einer der Zwillinge etwa groß, hat blaue Augen und
blonde Haare, wissen wir, dass der andere Zwilling auch groß sein wird, blaue
Augen und blonde Haare hat. Im Sinne von Einstein, Podolsky und Rosen sind
diese drei Eigenschaften - Größe, Augenfarbe und Haarfarbe - Elemente der Re-
alität, da wir aufgrund der Beobachtung des einen Zwillings mit Sicherheit die

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