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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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I. Jahresfeier am 20. Mai 2017
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Festvortrag von Angelos Chaniotis: „Mit den Göttern reden. Die Orakel-Täfelchen von Dodona“
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0026
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I. Jahresfeier am 20. Mai 2017


Abb. 4: Zeichnung einer Tafel mit zwei nach einander geschriebenen Texten, einer Frage (DVC 36b) und der
Antwort (DVC 37b) auf einer anderen Tafel (DVC 35a) geschriebenen Frage: „Gott! Gutes Glück! Ist Philo-
tis rechtmässige Besitzerin der eisernen Gegenstände? - Porinos (soll) dem Satrap (dienen)“.

der verspäteten Publikation und einiger Schwächen. Die Kommentare sind knapp
und unvollständig. Die Fotos konnten aufgrund der wirtschaftlichen Situation in
Griechenland nicht publiziert werden. Die Faksimiles sind zwar getreu (Abb. 4),
aber jede Zeichnung ist nur eine visuelle Interpretation einer Inschrift. So wird es
noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, dauern, bis man den Reichtum an Informatio-
nen über Sozialgeschichte, Wirtschaft, Kultur, Medizin, politische Geschichte und
Religion völlig ausgewertet hat.
In der Geschichte der griechischen Religion gibt es durchaus die Möglichkeit,
persönliche Stimmen zu hören, etwa in Weihungen.7 Doch unterscheidet sich das
Material aus Dodona durch die Zahl und Vielfalt der Texte und bietet uns eine
einmalige Möglichkeit, persönliche Stimmen von Menschen zu hören, die mit
den Göttern reden und sich an sie mit persönlichen Sorgen wenden: Gesund-
heit, Beruf, Reisen, Familie, Kindeiwunsch, Auswanderung, Geldgeschäfte, Liebe,
Ehebruch, Freilassung von Sklaven, Diebstahl, Mord, unbezahlte Darlehen usw.8
Kaum ein Aspekt des Alltags fehlt aus der bunten Palette von Fragen, wie etwa
„Werde ich besser sehen, wenn ich eine andere Salbe benutze?“;9 „Lysanias fragt
Zeus Naios und Dione. Ist das Kind, mit dem Annyla schwanger ist, nicht von
ihm?“;10 „Er fragt. Wird es für Isodemos besser sein, wenn er sich eine Frau nimmt;
und wird er Kinder haben, die ihn im Alter pflegen; und (ist es besser), wenn er
sich in Athen aufhält und zu den Bürgern von Athen zählt?“.11
So können wir neue Erkenntnisse über die Orakelpraxis in Dodona gewin-
nen und in unmittelbarer Weise Aspekte der Mentalität einfacher Leute in ihren
Kontakten zu den Göttern beobachten. Erstens können wir uns dank des neuen
Materials ein besseres Bild von der Orakelpraxis etwa von 520 bis 167 v. Chr. ma-
chen.12 Die Fragen werden nicht nur an Zeus und seine Gemahlin Dione adres-

7 Z. B. Chaniotis 2009a.
8 Überblicke: Lhote 2006, 22-25; Chaniotis 2010a, 306-307.
9 DVC 968A: arte aXXafi] äXoupäi hopö ßeXrepov.
10 Lhote 2006, Nr. 49: epcorfi Avaaviac; Aia Naiov Kal Aqcova<v> q ovk eqti ei; atrroü rö naiÖäpiov
ö AvvvXa Kvei.
11 Lhote 2006, Nr. 52: [Lpa)T]äiEiX[(l)]iov yuvaiKaXapßävovTi [K]aldp£(i)vovKalnaiÖ£<;£aovTai
[yqJpoTpocpoi’IaoÖqpcoi [K]al AOqvqat ETUÖqpoüvTi [t<ü]v noXrrEvopEvcov AOqvqat.
12 Chaniotis 2016, 284-289 und 2018b.

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