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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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I. Jahresfeier am 20. Mai 2017
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Festvortrag von Angelos Chaniotis: „Mit den Göttern reden. Die Orakel-Täfelchen von Dodona“
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0030
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I. Jahresfeier am 20. Mai 2017

dem Namen Kopria, zehn Jahre alt, geschenkt, das ich (1. Person) aufgezogen ha-
be, nachdem ich es unmittelbar nach der Geburt genommen habe“.39
Auch die Anrufungen der Götter mit lobenden Attributen sind Zeichen von
Mündlichkeit. Zwei Fragen fangen z. B. mit Anrufungen des Zeus an: „Oh, sehr
verehrter Zeus Naios“.40 Dieses Attribut, polytimetos, ist meist in Gebeten belegt.41
Solche Zeichen mündlicher Kommunikation in schriftlichen Texten geben uns
wertvolle Hinweise auf den emotionalen Kontext der Befragung. Sie hängen aber
auch damit zusammen, dass die Befragungen mehr als Befragungen waren. Sie
waren auch Gebete.
Das neue Material zeigt viel deutlicher als andere relevante Quellen, dass eine
Orakelbefragung nicht allein - ja auch nicht primär - dem Ziel diente, zu erfahren,
was in der Zukunft geschehen wird. Eine Orakelbefragung ist vielschichtiger. Sie
kann als Ziel haben, allgemein die Aufmerksamkeit der Götter auf menschliche
Angelegenheiten zu lenken, den Rat der Götter für konkrete Handlungen einzu-
holen, eine vergangene Tat zu bestimmen, unter deren Handlung man leidet, und
bei Streitigkeiten zu schlichten.
Schauen wir uns einige Texte etwas genauer an. Ich fange mit Texten an,
die auf den ersten Blick eindeutig als Fragen zu verstehen sind, und doch viel
komplexere Sachverhalte darstellen: „Kleokritos und Amphimedon fragen Zeus
Naos: Hat Sindos die Blumen nicht gestohlen?“.42 „Melantas. Hat er das Geld
gestohlen?“.43 „Hat er Gift gegen meine Nachkommen, meine Frau und mich ver-
wendet? (nicht.) Von Lyson“.44
Bei diesen Fragen geht es aber nicht um eine Prognose der Zukunft, es geht
um die Vergangenheit. Ist jemand schuldig oder nicht? Diese Fragen betreffen die
Zukunft nur indirekt, weil für die Griechen Vergangenheit, Gegenwart und Zu-
kunft ein Kontinuum ohne Brüche darstellt; die Vergangenheit lebt in der Ge-
genwart und bestimmt die Zukunft. Auf diesen Punkt komme ich zum Schluss
zurück. Es ist sicher, dass die Antwort mit dem Losverfahren bestimmt wurde.
Dies geht aus einem Text direkt hervor: „Wenn keiner von diesen Leuten Dieb-
stahl begangen hat, dann hol diese Tafel heraus“.45 Auf einer Tafel finden wir die

39 I. Leukopetra 128: Zcompoc; AukoXeovtoc; Exapiaaro Mr|rpl ®eökv> Kopäaiov övopari Konpiav,
£Tä)v i', ö Xaßcbv ei; eparoc; ctv£7iotr|actpr|v.
40 DVC 1484A: [d) nJoXuTipctTE Zeü N[cüe]; 2052A d) TioXuripaTov Zeü Nöle.
41 Z. B. in Gebeten in den Komödien des Aristophanes: Frösche 319: d) Zeü 7ioXvTipr|TE; Acharneis
807: d) 7ioXvTipr|9’ 'HpcucXsic;; Wolken 260: d) 7ioXvTipr|Tai NEcpsXai; Thesmophoriazousai 594:
7ioXvTipr|Tai Osd).
42 DVC 311A: ETUKorvärvrai rd)t Au töh Näcoi KXeok[pl]toc; Kal ApcpipEÖcov- oük ekXe\|/e XivÖoc;
rdv9r|.
43 DVC 389: MsXctvTafc;]- al ekXe\|/e tö äpyüpiov.
44 DVC 452A (Lhöte 2006, Nr. 125 bis): E7ir|VEKE cpäppaKov sm ray yEVEav rav sfpjctv f] sm ray
yuvaNa [f] e]ti’ Epe; napa Aüacovoc;.
45 DVC 2222A: al Öe pr|Ö£ic; toütcov KEKXoßs, tovtovl

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