I. Jahresfeier am 20. Mai 2017
ändert sich nichts daran, dass dieser Text ein Gebet und keine Orakelbefragung ist.
Oder schauen wir einen Text an, der als Frage formuliert wurde:52
„Was soll ich tun, um glücklich zu werden? An welchen Gott soll ich opfern?
Soll ich weiterhin den Beruf ausüben, den ich erlernt habe oder soll ich etwas an-
deres tun? Werde ich das bekommen, was ich im Sinne habe? Soll ich Phainomena
zu Frau nehmen oder eine andere? Und soll ich sie jetzt nehmen oder warten?“
Obwohl der anonyme Mann den Text als Frage formuliert, versucht er letzt-
lich nur die Aufmerksamkeit der Götter auf seine Sorgen zu lenken. Und selbst ein
Gott wäre von so vielen Fragen herausgefordert. Der Mann fragte nicht direkt nach
der Zukunft, er bat um Rat und erkundigte sich nach geeigneten Handlungen.
In der griechischen Orakelbefragung erwarten oft die Menschen Antworten,
die nicht die Zukunft alleine, sondern ihr Verhältnis zur Vergangenheit betref-
fen. Wenn Philistas fragt, ob er die Krankheit verdient53 oder sich Xenon erkun-
digt, ob seine Augenkrankheit von einer Göttin kam,54 so tun sie dies wegen der
allgemeinen Vorstellung, dass eine Krankheit göttliche Strafe für ein Vergehen
ist, manchmal ein Vergehen der Vorfahren.55 Die Frage ist also: Welche Tat in
der Vergangenheit verursachte die Krankheit? Ähnlich auch im Fall einer Frage
der Stadt Dodona: „Hat der Gott schlechtes Wetter wegen der Unreinheit von
jemandem geschickt?“.56 Wird der Grund erst ermittelt, kann dann der Prozess
der Wiedergutmachung eingeleitet werden. Natürlich liegt das Ergebnis in der
Zukunft. Es geht nicht um Voraussage der Zukunft, sondern um Bestimmung
der Handlungen, die die Zukunft positiv oder positiver gestalten werden. Die
vielen Fragen danach, welchem Gott oder Heros man opfern soll, sind vor diesem
Hintergrund zu sehen. „Agelaidas und seine Verwandten fragen bezüglich der
Augenerkrankung, unter der die Väter (d. h. die Vorfahren) litten. Wird dies bei
den anderen aufhören und werden sie gesund sein, wenn sie bezüglich welchen
Gottes tätig werden“?57 Die Frage ist ganz konkret: Was sollen wir tun? Der Hin-
tergrund ist die Angst, dass ein Vergehen der Vorfahren auf die nächste Genera-
tion übergeht.
52 DVC 2367: ®eöc;, tuxö äyaOct-’EtüXvtoc; ETrspujTqi töv Ala töv Naiov | Kai rav Aicovav ri Ka
noiocöv evtvxiol Kai rivi Oecöv Oöaac; | Kai nÖTspa rav rexvav häv EnaiÖEÖOqv spyctCcopai q hot’
äX|Xo ri hoppäaco Kai q Xctp\|/cöpai a’i k’ Enixqpqi Kai nÖTEpa rav | Oaivopsvav yuvauca Xäßco q
äXXav Kai nÖTEpa Kai Öq | Xäßco q noTipEvco.
53 DVC 2248a: a’i <K>a OiXiaarac; chloro voaspaToc;.
54 DVC 118b: Hevcovi- Tispi [t]oü [ö]cp9aXp[oü]• q änö Oecic; egti atTE oö.
55 Chaniotis 1995.
56 Lhöte 2006, Nr. 14: ’Etiepcütcövti AcoÖcovaioi töv Ala Kai rav Aicovav q Öi’ ävOpdmov tivöc;
ctKaOapriav ö Oeöc; to(v) x£lP^va ^apex81-
57 DVC 556a: Osöc;, Ti>xa äyaOä- spanäi AyiXaiöaq Kai oi cnjyyEvssc; nsp toü äppcooTspaToc; tcöv
öcpOaXpcöv tcöv oi naTEpsc; äppcooTqoasv, ai eoti Kiwi ke Oecöv öpävTsc; toic; Xoitioic; OTäpa
yEvqOsiE Kai vyi£ia-
32
ändert sich nichts daran, dass dieser Text ein Gebet und keine Orakelbefragung ist.
Oder schauen wir einen Text an, der als Frage formuliert wurde:52
„Was soll ich tun, um glücklich zu werden? An welchen Gott soll ich opfern?
Soll ich weiterhin den Beruf ausüben, den ich erlernt habe oder soll ich etwas an-
deres tun? Werde ich das bekommen, was ich im Sinne habe? Soll ich Phainomena
zu Frau nehmen oder eine andere? Und soll ich sie jetzt nehmen oder warten?“
Obwohl der anonyme Mann den Text als Frage formuliert, versucht er letzt-
lich nur die Aufmerksamkeit der Götter auf seine Sorgen zu lenken. Und selbst ein
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In der griechischen Orakelbefragung erwarten oft die Menschen Antworten,
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digt, ob seine Augenkrankheit von einer Göttin kam,54 so tun sie dies wegen der
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ist, manchmal ein Vergehen der Vorfahren.55 Die Frage ist also: Welche Tat in
der Vergangenheit verursachte die Krankheit? Ähnlich auch im Fall einer Frage
der Stadt Dodona: „Hat der Gott schlechtes Wetter wegen der Unreinheit von
jemandem geschickt?“.56 Wird der Grund erst ermittelt, kann dann der Prozess
der Wiedergutmachung eingeleitet werden. Natürlich liegt das Ergebnis in der
Zukunft. Es geht nicht um Voraussage der Zukunft, sondern um Bestimmung
der Handlungen, die die Zukunft positiv oder positiver gestalten werden. Die
vielen Fragen danach, welchem Gott oder Heros man opfern soll, sind vor diesem
Hintergrund zu sehen. „Agelaidas und seine Verwandten fragen bezüglich der
Augenerkrankung, unter der die Väter (d. h. die Vorfahren) litten. Wird dies bei
den anderen aufhören und werden sie gesund sein, wenn sie bezüglich welchen
Gottes tätig werden“?57 Die Frage ist ganz konkret: Was sollen wir tun? Der Hin-
tergrund ist die Angst, dass ein Vergehen der Vorfahren auf die nächste Genera-
tion übergeht.
52 DVC 2367: ®eöc;, tuxö äyaOct-’EtüXvtoc; ETrspujTqi töv Ala töv Naiov | Kai rav Aicovav ri Ka
noiocöv evtvxiol Kai rivi Oecöv Oöaac; | Kai nÖTspa rav rexvav häv EnaiÖEÖOqv spyctCcopai q hot’
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53 DVC 2248a: a’i <K>a OiXiaarac; chloro voaspaToc;.
54 DVC 118b: Hevcovi- Tispi [t]oü [ö]cp9aXp[oü]• q änö Oecic; egti atTE oö.
55 Chaniotis 1995.
56 Lhöte 2006, Nr. 14: ’Etiepcütcövti AcoÖcovaioi töv Ala Kai rav Aicovav q Öi’ ävOpdmov tivöc;
ctKaOapriav ö Oeöc; to(v) x£lP^va ^apex81-
57 DVC 556a: Osöc;, Ti>xa äyaOä- spanäi AyiXaiöaq Kai oi cnjyyEvssc; nsp toü äppcooTspaToc; tcöv
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