Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2017
DOI Kapitel:
II. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Kapitel:
Gesamtsitzung am 22. Juni 2017 zu Ehren von Peter Graf Kielmansegg anlässlich seines 80. Geburtstages
DOI Artikel:
Cavuldak, Ahmet: Peter Graf Kielmansegg als Analytiker der Demokratie
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0085
Lizenz: In Copyright

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ahmet Cavuldak

der Volkssouveränitätsdoktrin als Antwort auf die demokratische Legitimitäts-
frage „ideengeschichtlich und historisch fundiert, begrifflich in höchstem Maße
präzise und mit einer in der Politikwissenschaft ihresgleichen suchenden analy-
tischen Schärfe“ darlegt.24
Die zitierte Äußerung Brachers stammt aus seiner Laudatio auf Peter Graf
Kielmansegg anlässlich der Verleihung des Sigmund-Freud-Preises für wissen-
schaftliche Prosa 1983. Die deutsche Akademie für Sprache und Dichtung begrün-
dete ihre Entscheidung damit, Graf Kielmansegg sei ein „Gelehrter von weiter,
zugleich politischer, historischer und juristischer Bildung, der seine oft erregenden
Erkenntnisse in gelassener Erörterung und in heller Sprache“ vortrage.25 Bracher
lobte in seiner Laudatio denn auch vor allem Graf Kielmanseggs „Sinn für Form
und Balance des Urteils“. Eingangs seiner Rede bemerkte er, es sei angesichts der
Lage und des Rufes der Politikwissenschaft eher ungewöhnlich, dass dieser Preis
einem ihrer Vertreter zufalle, zumal dieser einer der jüngeren Kollegen sei. Tat-
sächlich ist Graf Kielmansegg bis heute der einzige aus dem Fach geblieben, der
diesen Preis erhalten hat.
Als selbstbewusster Stilist, dessen Umgang mit der Sprache schöpferisch,
aber nicht spielerisch ist, hat Graf Kielmansegg die Jargonanfälligkeit der So-
zialwissenschaften immer wieder problematisiert. Eine längere Besprechung
des Hauptwerkes von Dolf Sternberger „Drei Wurzeln der Politik“ im Merkur
1979 trägt den vielsagenden Titel: „Auf der Suche nach dem verlorenen Wort“.
Ich erlaube mir eine Passage daraus zu zitieren, die in ihrer polemischen Schär-
fe etwas untypisch ist für den stets wohltemperierten Autor: „Wer Sternberger
liest“, schreibt Graf Kielmansegg, „wird sich über den Sprachverfall, der sich in
den Sozialwissenschaften wie in kaum einer anderen Disziplin ereignet hat, erst
recht eigentlich klar. Was heißt im Übrigen „ereignet“ hat? Die große Mehrzahl
der schreibenden Wissenschaftler hat ihn in einer Mischung von Professiona-
lisierungseifer, Eitelkeit, Unvermögen und Verantwortungslosigkeit gegenüber
der Sprache eifrig befördert. Als ob es nicht auf der Hand läge, dass eine Wis-
senschaft, die so sehr auf Mitteilung über die engen Zirkel der Eingeweihten
hinaus angewiesen ist wie die Sozialwissenschaft, sich selbst zerstört, wenn sie
ihre Sprache verludern lässt!“26 Graf Kielmansegg hatte wohl in den drei Jahr-
zehnten, die seitdem ins Land gegangen sind, keinen Anlass gehabt, optimisti-
scher zu sein; 2010 ist ein Essay erschienen, in dem er „die Sprachlosigkeit der

24 Stein, Tine, 2007: Peter Graf Kielmansegg, Volkssouveränität. Eine Untersuchung der Bedin-
gungen demokratischer Legitimität, Stuttgart 1977, in: Kailitz, Steffen (Hg.): Schlüsselwerke
der Politikwissenschaft, S. 210-214, hier S. 213.
25 Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, Jahrbuch 1983, Zweite Lieferung, S. 134.
26 Graf Kielmansegg, Peter, 1979: Auf der Suche nach dem verlorenen Wort, in: Merkur,
33. Jahrgang, Heft 10, S. 1016-1024, hier S. 1021.

85
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften