Zwischen Ästhetik des Verzichts und monastischen Idealen | 281
getragen, und auch der Laienraum ist vollständig eingewölbt, allerdings bleiben
die Arkaden niedrig, die Kapitelle schmucklos, die Wandflächen über den Arkaden
demonstrativ glatt, die Fenster klein. Am Kölner Dom sind nicht nur die Kapitelle
reich verziert und die Stützen noch viel aufwändiger gegliedert, sondern auch
die Wandfläche wird durch ein durchlichtetes Triforium über den Arkaden extrem
reduziert und die großen Fenster nehmen alle verfügbare Fläche zwischen den Gewölbediensten
ein. Die Franziskanerkirche ist nicht nur um eine Stufe, sondern
überdeutlich ärmer und reduziert – einzelne Elemente, wie die Stützen und die
Gewölbegestalt fordern auch hier den vergleichenden Blick bereits der zeitgenössischen
Betrachter heraus, um diese Ästhetik des Verzichts eindeutig ablesbar zu
machen.
In den Kreisen adliger Stifter und hochqualifizierter Bauleute ist die überregionale
Kenntnis neuester Formen, Techniken und Bauansprüche im hohen und späten
Mittelalter ein wichtiges Element ihrer Kompetenz. Auch die Zisterzienser haben
ihre Bauten in überregionalen Ordenskontexten gesehen. Für die Bettelorden gilt
dies auffallenderweise nicht. Nur vereinzelt, wie in der franziskanischen Provinz
Saxonia, lassen sich in bestimmten Epochen zahlreiche, gleichartig konzipierte Bauten
erkennen. ¹³ Häufiger, wie bei den diskutierten Beispielen, ist der Bezugsrahmen
dezidiert lokal, die eigene Stadt. Adressaten sind, so wäre von der Kunstgeschichte
her zu formulieren, nicht die breit vernetzten Adligen und Prälaten, ebenso wenig
die weitgereisten Kaufleute, sondern die »bodenständige« Bevölkerung mit ihren
Seherwartungen und Ansprüchen. Angemessen erscheinen die Bettelordensbauten,
aber nicht ärmlich; sie demonstrieren bewussten Verzicht auf Weltliches – als Basis
ihrer Spiritualität – aber nur eine »relative« Armut. Damit stehen sie nicht zuletzt
in der zisterziensischen Tradition, für die in der Baukunst erkennbarer »Verzicht«
bedeutsamer war als objektive »Armut«. ¹⁴
Der Vorrang des Chordienstes vor der Laienseelsorge
Die Hinwendung zur städtischen Bevölkerung, deren Seelsorgebedürfnisse zuvor
vom Pfarrklerus vernachlässigt worden waren, verbunden mit Bußpredigt und Ketzerbekämpfung,
gehören zu den zentralen, selbst gesetzten Aufgaben der Bettelorden.
Dies trug, nach allgemeiner Überzeugung, zu ihrem raschen Aufblühen und
auch zu ihrem wirtschaftlichen Erfolg bei. Die Kunstgeschichte hat diese These
gern übernommen: Bettelordenskirchen gelten als typische Predigtkirchen – ge-
13 Silberer, Einschiffige Franziskanerkirchen (wie Anm. 8).
14 Untermann, Forma Ordinis (wie Anm. 3), S. 624 – 675.
getragen, und auch der Laienraum ist vollständig eingewölbt, allerdings bleiben
die Arkaden niedrig, die Kapitelle schmucklos, die Wandflächen über den Arkaden
demonstrativ glatt, die Fenster klein. Am Kölner Dom sind nicht nur die Kapitelle
reich verziert und die Stützen noch viel aufwändiger gegliedert, sondern auch
die Wandfläche wird durch ein durchlichtetes Triforium über den Arkaden extrem
reduziert und die großen Fenster nehmen alle verfügbare Fläche zwischen den Gewölbediensten
ein. Die Franziskanerkirche ist nicht nur um eine Stufe, sondern
überdeutlich ärmer und reduziert – einzelne Elemente, wie die Stützen und die
Gewölbegestalt fordern auch hier den vergleichenden Blick bereits der zeitgenössischen
Betrachter heraus, um diese Ästhetik des Verzichts eindeutig ablesbar zu
machen.
In den Kreisen adliger Stifter und hochqualifizierter Bauleute ist die überregionale
Kenntnis neuester Formen, Techniken und Bauansprüche im hohen und späten
Mittelalter ein wichtiges Element ihrer Kompetenz. Auch die Zisterzienser haben
ihre Bauten in überregionalen Ordenskontexten gesehen. Für die Bettelorden gilt
dies auffallenderweise nicht. Nur vereinzelt, wie in der franziskanischen Provinz
Saxonia, lassen sich in bestimmten Epochen zahlreiche, gleichartig konzipierte Bauten
erkennen. ¹³ Häufiger, wie bei den diskutierten Beispielen, ist der Bezugsrahmen
dezidiert lokal, die eigene Stadt. Adressaten sind, so wäre von der Kunstgeschichte
her zu formulieren, nicht die breit vernetzten Adligen und Prälaten, ebenso wenig
die weitgereisten Kaufleute, sondern die »bodenständige« Bevölkerung mit ihren
Seherwartungen und Ansprüchen. Angemessen erscheinen die Bettelordensbauten,
aber nicht ärmlich; sie demonstrieren bewussten Verzicht auf Weltliches – als Basis
ihrer Spiritualität – aber nur eine »relative« Armut. Damit stehen sie nicht zuletzt
in der zisterziensischen Tradition, für die in der Baukunst erkennbarer »Verzicht«
bedeutsamer war als objektive »Armut«. ¹⁴
Der Vorrang des Chordienstes vor der Laienseelsorge
Die Hinwendung zur städtischen Bevölkerung, deren Seelsorgebedürfnisse zuvor
vom Pfarrklerus vernachlässigt worden waren, verbunden mit Bußpredigt und Ketzerbekämpfung,
gehören zu den zentralen, selbst gesetzten Aufgaben der Bettelorden.
Dies trug, nach allgemeiner Überzeugung, zu ihrem raschen Aufblühen und
auch zu ihrem wirtschaftlichen Erfolg bei. Die Kunstgeschichte hat diese These
gern übernommen: Bettelordenskirchen gelten als typische Predigtkirchen – ge-
13 Silberer, Einschiffige Franziskanerkirchen (wie Anm. 8).
14 Untermann, Forma Ordinis (wie Anm. 3), S. 624 – 675.