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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0079
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4. Die Grafschaft Flandern
»Graf Robert regierte Flandern in großem Frieden. Er war so mächtig, dass Philipp,
der König von Frankreich, seine Stieftochter heiratete, mit der er König Ludwig
zeugte. Roberts Schwester [Mathilde] wurde mit Wilhelm, dem Grafen der Nor-
mandie und König der Engländer verheiratet.«291 Mit diesen Worten umschreibt
Hermann von Tournai in aller Kürze die Herrschaft Graf Roberts I. von Flandern,
der - wie sein Liber de restauratione unmissverständlich klar macht - am Beginn
eines großen, aber nur kurz währenden Zeitalters stand. Nach Hermann habe näm-
lich eine alte Frau zu Beginn der Herrschaft Roberts I. prophezeit, dass: »dieser
Robert und sein Sohn Flandern in Frieden regieren werden, sein Enkel, der von sei-
nem Sohn gezeugt wurde, werde aber kinderlos sterben. Ein ansehnlicher Jüngling
aus Dänemark werde ihm im Grafenamt nachfolgen, aber auch er werde kinderlos
sterben. Nach ihm werden sich zwei weitere Männer aus Flandern bekriegen und
einer werde den anderen töten. Der Sieger werde Flandern erhalten und seine Erben
werden darüber herrschen bis zur Zeit des Antichristen.«292
Für Hermann, der sein Werk in den 1140er Jahren verfasste, stellte die Zeit von
1071 bis 1128 eine äußerst wichtige Epoche in der Geschichte der Grafschaft Flan-
dern dar.293 Die moderne Historiographie teilt diese Ansicht und sieht im Jahr 1071
eine bedeutende Zäsur der flandrischen Geschichte, begann doch mit ihr eine Zeit,
die als »apogee of flemish power« bezeichnet wurde - eine Blütezeit, die über das
gesamte 12. Jahrhundert andauerte.294 Neben einer zunehmenden Konsolidierung
der gräflichen Herrschaft, wurde die Grafschaft in dieser Zeit politisch und wirt-
schaftlich immer bedeutender. Wenngleich die Grundlagen für diese Entwicklungen
291 Hermann von Tournai, Liber, c. 14, S. 51: »Robertus namque predictus in magna pace Flandriam tenuit
multeque potentie fuit, adeo ut privignam suam duxerit Philippus rex Francorum, de qua genuit regem
Ludovicum. Sororem accepit Guilelmus comes Normannorum et rex Anglorum [...].«
292 Hermann von Tournai, Liber, c. 13, S. 51: »Sciatis itaque vos prosperum iter et gratiam Cesaris habituros
ipsumque Robertum cum filio suo Flandriam pacifice possessurum, sed nepotem suum, qui ex filio suo
genitus fuerit, sine prole moriturum; cui succedet quidam pulcher iuvenis de Dacia veniens, qui tarnen
et ipse sine prole morietur; post quem duo alii contendent de Flandria alterque eorum alterum interficiet
et victor Flandriam obtinebit ipsiusque heredes Flandriam possidebunt usque ad tempus Antichristi.«
Zu dieser Passage vgl. D. C. van Meter, An Echo of Adso of Montier-en-Der, der Parallelen zwischen
Hermanns Bericht und dem von Ados zwischen 948 und 954 verfassten De ortu et tempore Antichristi
sieht. Hermanns Prophetie diene dazu, die Herrschaft Dietrichs und seiner Nachfolger zu unterstützen.
293 Zu Hermann und seinem Werk siehe unten S. 336-344..
294 D. Nicholas, Medieval Flanders, S. 56-96 bezeichnet die Zeit von 1071-1206 als »apogee«; H. Platelle,
Histoire des provinces framjaises du Nord, S. 17: »La periode qui va du crime au chätiment (1071-1127)
peut etre envisagee en une fois, car ces quatre regnes [...] presentem une indeniable continuite, en meine
temps que des contrastes avec la periode anterieure.«
 
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