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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0181
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177

4. Simons Gesta abbatum als Überrest der correctio
Für eine Untersuchung der correctio von Saint-Bertin erweisen sich Simons Gesta
abbatum in mehrerlei Hinsicht als besonders geeignet: Das erste Buch entstand
in unmittelbarem Eindruck der von Lambert angestoßenen correctio. Eine inhalt-
liche Analyse soll zeigen, inwiefern Simons Werk diese correctio unterstützte. Die
Abfassung des zweiten Buchs datiert in die 1140er Jahre und somit an das Ende
jener Krise, die letztlich durch Lamberts correctio ausgelöst worden war. Dieser
Teil des Werks ist von größtem Interesse, da auch er auf die innere correctio des
Lesers abzielt. Schließlich bieten die Gesta abbatum wichtige Einblicke in Simons
Vorstellungen von correctio.
4.1. Simons Vorstellung von correct/o
Neben der erfolgreichen Einführung der cluniazensischen Lebensweise in Saint-
Bertin liefern Simons Gesta abbatum zahlreiche weitere Beispiele von correctiones.
Voller Freude bemerkt er, dass von seinem Kloster aus der neue Ordo in die umlie-
genden Klöster getragen wurde.775 Die correctio religionis habe jedoch dazu geführt,
dass diese Klöster abwechselnd mit Neid und Furcht auf Sithiu geblickt hätten:
Neid, da sie den Erfolg Sithius vor Augen hatten, und Furcht, da sie befürchteten,
zu Ähnlichem gezwungen zu werden. Doch die Weisheit Gottes habe Gelegen-
heiten geboten, um diese Klöster zu verbessern (correctio), nämlich das Ableben
einiger Äbte und Streit zwischen den Brüdern.776
Nach Simons Darstellung war die correctio dieser Klöster somit eine zweischnei-
dige Angelegenheit: Einerseits boten sie den Gemeinschaften attraktive Vorteile, die
Simon allerdings nicht präzisiert, andererseits macht die Angst vor der Auferlegung
dieser Veränderungen von außen deutlich, dass die Klöster mitunter um ihre Eigen-
ständigkeit fürchteten.777 Nach Simons Dafürhalten war es durchaus legitim, diese
775 So lautet die Rubrik von Simon, Gesta, II, c. 70, S. 649: »De introductione ordinis ex hac aecclesia in
vicinas aecclesias.« Ob diese Rubrik von Simon oder vom Kopisten des 12. Jahrhunderts stammt, lässt
sich allerdings nicht sagen.
776 Simon, Gesta, II, c. 70, S. 649: »[...] qualiter caeterae circumiacentes aecclesiae ad correctionem religionis
sint coactae, succinctim commemoremus. Quae cum erga aecclesiam Sithiensem mixtim livore et timore
variarentur, nunc invidentes eiusdem provectibus, nunc vero timentes, ne coacti involverentur similibus,
sapientia Dei de correctione earum congruam adinvenit oportunitatem, abbatum scilicet de hoc mundo
vocationem aut intestinam fratrum dissensionem.«
777 S. Vanderputten, Crisis of Cenobitism.
 
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