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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0367
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363

4. Abt Hermann und die Krise des Martinsklosters
Die nach 1158 aus der Feder eines anonymen Autors stammende Lebensbeschrei-
bung Abt Hugos von Marchiennes, eines ehemaligen Mönchs von Saint-Martin,
geht in zwei Kapiteln etwas näher auf den Nachfolger Abt Segards ein.1460 Die Vita
berichtet, dass Segard eines Tages schwer erkrankte und angesichts des nahenden
Todes einen zu diesem Zeitpunkt zufällig in Saint-Martin weilenden päpstlichen Le-
gaten darum gebeten habe, noch zu Lebzeiten einen Nachfolger wählen zu lassen.
Nachdem ihm dies gewährt worden war, schritten die Brüder zur Wahl eines neuen
Abtes. »Da sie keinen Mann Gottes, sondern einen Abt für ihre Angelegenheiten
wünschten, fiel die Wahl auf einen der Ihren, der vor allem durch seine Gelehrsam-
keit und seine Familie herausragte, nicht aber auf würdige Weise die Sache Christi
suchte.«1461 Die Vita Hugonis nennt den Namen dieses Abtes an keiner Stelle und
berichtet auch sonst wenig Gutes über ihn. Es handelte sich freilich um Hermann,
den Sohn Rudolf Osmunds und späteren Chronisten der Abtei, der ab 1127 die
Nachfolge Segards antrat. Hugo nimmt in der äußerst tendenziösen Vita Hugonis
den Part des entschiedenen Gegenspielers Abt Hermanns ein. Der Text weiß zu be-
richten, dass Hugo kurz nach Hermanns Wahl im Eifer für Gott entbrannt sei und
die Abtei verlassen habe. Dies, aber auch der Hinweis, Hermanns familiäre Abkunft
habe eine wichtige Rolle bei der Entscheidung der Brüder gespielt, legt es äußerst
nahe, dass er Hermanns Gegenkandidat bei dieser Wahl war.1462 Da über Hugo aus
seiner Vita lediglich bekannt ist, dass er aus einer reichen Familie der Stadt stammte,
kann nicht eindeutig geklärt werden, ob er etwa der Familie der Avesnes und so-
mit der großen Rivalin der Familie der Osmunde entstammte.1463 Über Hermanns
Abbatiat ist, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, äußerst wenig bekannt; er endet
bereits 1136, nachdem er sein Amt aus nicht ganz geklärten Gründen niederlegte.
Die Vita Hugonis ist die einzige Quelle, die hierfür wertvolle Anhaltspunkte liefert.
1460 Vita Hugonis, c. 11, S. 332, c. 13, S. 336.
1461 Vita Hugonis, c. 11, S. 332: »Nam cum infirmitate et imbecillitate pressus, propinquare se sensisset ad
mortem, et apostolic^ sedis legato forte inibi descendente, peteret absolvi et alium se vivente substitui,
exauditus est et electio alterius fieri fratribus imperata. Quibus non Dei, sed suum volentibus ordinäre
pastorem, eligere instituerunt unum ex ipsis, litteratura et parentela satis idoneum, sed de quo dubium
non erat quod non digne qu^reret qu$ sunt lesu Christi.«
1462 Vita Hugonis, c. 11, S. 332: »Quod ubi ille advertit, fidei zelo succensus, paratus ponere animam suam
cum consisteret peccator adversum se et Dei iniuriam et illorum incuriam et abbatis periculum exeuntis
se, dum ille supervestiteretur potenti virtute, fecit de medio.«
1463 VgL dazu H. Platelle, Un homme angoisse et la mort, S. 108, der anmerkt: »sans doute faut-il supposer
une rivalite familiale entre ses deux hommes issus du meme milieu?«
 
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