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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0475
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6. Die spirituelle Prägung der Gemeinschaft in der
zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts
Mit der Wahl des Alvisus zum Bischof von Arras wurde die Leitung der Abtei von
Anchin einem seiner Schüler mit Namen Gossuin übertragen. Gerzaguet sieht
in ihm eine außergewöhnliche Persönlichkeit, »une haute figure spirituelle«,1876 da
er das Werk des Alvisus nach innen und außen fortsetzte und die Abtei während
seines langen Abbatiates zu einer spirituellen und kulturellen Blüte führte. In der
Forschung sprach man Abt Gossuin zudem das Verdienst zu, Anchin maßgeblich
zum Ausgangspunkt einer großen »Reformbewegung« befördert zu haben.1877 Die-
se »Reform von Anchin« steht dabei, wie vor allem Vanderputten betont, in enger
Verbindung mit den Generalkapiteln der Kirchenprovinz Reims: Denn zum einen
hatte Abt Gossuin daran persönlich und aktiv teilgenommen und zum andern setzte
sein Vorgänger Bischof Alvisus von Arras dieses Vorhaben auf diözesaner Ebene
fort, weswegen Anchin eine zentrale Rolle in der bischöflichen Kloster- und Per-
sonalpolitik spielte.1878
Das besondere Interesse für Abt Gossuin ist in erster Linie der guten Quellenla-
ge geschuldet. Während die Informationen über den Abbatiat des Alvisus spärlich
sind, wurden zwei Briefe, zwei Epitaphien, zahlreiche Gedichte und 75 Urkunden
aus der Amtszeit Gossuins von Anchin überliefert.1879 Zudem berichten gleich zwei
Viten, eine Vita prima und eine Vita secunda, über das Leben und die Tugenden des
siebten Abtes von Anchin. 1880 Mit De novitiis instruendis ist zudem ein Werk über-
liefert, das Gossuins Inspirationsquellen für ein gutes monastisches Leben vereint
1876 J. P. Gerzaguet, L’abbaye d’Anchin, S. 91.
1877 H. Sproemberg, Alvisus, S. 117-147; A. M. Helvetius, Aspects de l’influence de Cluny, S. 62; S. Van-
derputten, A Time of Great Confusion.
1878 S. Vanderputten, A Time of Great Confusion.
1879 J. P. Gerzaguet, L’abbaye d’Anchin, S. 89-91. Zu den Briefen: ein Brief des Abtes von Saint-Remi in
Reims, Peter von Celle, an Gossuin: J. Leclercq, Pierre de Celle, S. 160 -179; ein Brief des neuen Abtes
Alexander an Peter von Celle mit der Nachricht von Gossuins Tod ist inseriert in Historia, S. 589-590;
zu den Epitaphien vgl. Douai, BM, ms. 827, fol. lr-27v, ediert in MGH SS 14, S. 590-591; Douai, BM,
ms. 363 (page de garde); zu den Gedichten: J. Leclercq, Poemes ä la louange, S. 619-635.
1880 Die Vita prima ist in der Handschrift Douai, BM, ms. 825, f. lr-79r überliefert, die Vita secunda in
Douai, BM, ms. 827, fol. 31r-54r. Beide Texte wurden bereits 1620 gedruckt: R. Gibbon, Vita Gosuini;
vereinzelte Auszüge der beiden Viten finden sich auch in AASS, März, Bd. 2, Sp. 752A-D, in AASS,
Oktober, Bd. 4, Sp. 1084A-1094D und in RHGF, Bd. 14, S. 442B-448A. Delisle hat dem Zeitgeist
entsprechend bei der Auswahl der Passagen den Fokus auf die Faktengeschichte gelegt, wobei sein
besonderes Interesse den Passagen zu Petrus Abaelard galt. Eine zum Teil fehlerhafte deutsche Über-
setzung der Ausschnitte Delisles findet sich bei W. Robl, Goswin von Anchin, S. 267-291. Da das
Werk Gibbons die einzige vollständige Edition beider Texte darstellt, soll im Folgenden nach ihr zitiert
werden.
 
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