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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0534
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2. Die Verbindung zwischen correctio interius et exterius
Zeitgenossen wie Hermann von Tournai oder Simon von Saint-Bertin umschrieben
die Veränderungen in einer Gemeinschaft mit der Formulierung correctio interius
et exterius und verwiesen damit nicht nur auf die beiden Stoßrichtungen dieses
Prozesses, sondern auch darauf, dass zwischen diesen ein enger kausaler Zusam-
menhang bestand. Eben dies bringt die Vita Gosuini prima aus Anchin besonders
deutlich zum Ausdruck, wenn sie bemerkt: »Was im Innern zerfällt, versetzt das
Äußere ins Wanken.«2103 Auch Hermann von Tournai und Simon von Saint-Bertin
zeigen an einigen Beispielen, wie eng der wirtschaftliche und spirituelle Niedergang
einer Gemeinschaft miteinander verknüpft waren. Die aus Marchiennes überlie-
ferten und im Kontext der dortigen correctio stehenden Texte geben diesbezüglich
interessante Einblicke in die zeitgenössischen Vorstellungen. Demnach wohnte dem
Kloster durch die Präsenz der Heiligen bereits eine gewisse Heiligkeit inne, die sich
aber durch die dort lebenden Mönche noch verstärkte, so dass das Kloster zu einem
heiligen Ort wurde. Zwischen dem Klosterpatron und den Mönchen bestand nach
der Vorstellung der Zeitgenossen ein vertragsähnliches Verhältnis, das von den Brü-
dern ein tadelloses Leben, würdigen Gottesdienst und die Pflege des Heiligenkul-
tes verlangte und im Gegenzug den Schutz und die Hilfe des Heiligen garantierte.
Der Klosterpatron war der Herr über den Besitz der Mönche und entschied über
dessen Nutzung. Während der Heilige ein zuverlässiger Partner war, brachen die
Brüder immer wieder diesen Vertrag. Eine Abkehr von den monastischen Idealen,
die Aufgabe eines frommen Lebens, die Vernachlässigung des Gottesdienstes, aber
zum Teil auch die vom Kloster ausgehende Entfremdung von Klosterbesitz hatten
zur Folge, dass nach der zeitgenössischen Vorstellung der Heilige zwischenzeitlich
seine Unterstützung und Hilfe aufkündigte, wodurch die Gemeinschaft der Brüder
in eine existenzielle Krise geriet. Die schlechte wirtschaftliche Lage eines Klosters,
Brände oder Seuchen wurden daher als göttliche Strafen interpretiert, die die Mön-
che zur correctio bewegen sollten.
Ein vertragsähnliches Verhältnis verband eine Gemeinschaft aber nicht nur mit
dem Himmel, sondern letztlich auch und in besonderer Weise mit ihrem sozialen
Umfeld. Die Beziehungen der Mönche zu den Großen der Welt waren, wie immer
wieder gezeigt wurde, durch das Prinzip des do ut des gekennzeichnet.2104 Schen-
2103 R. Gibbon, Vita Gosuini prima, I, c. 16, S. 66: »foris enim, iuxta sapientem, titubat, quod dissident
intro.«
2104 J. A. Bijsterfeld, Do ut des; Th. Kohl, Artikel »Landschenkung«.
 
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