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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0165
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164

4. Der Traktat De quattuor modis conscientiarum

werden. Dabei wird es weniger um eine analytisch-kritische Behandlung des
Werks in seiner Gesamtheit gehen als vielmehr um den Versuch, einige wesent-
liche inhaltliche Schwerpunkte zu beleuchten und in ihren historischen Dimen-
sionen vorzustellen. Dabei sollen zwei Gesichtspunkte im Fokus stehen: zum
einen der Aspekt der Reinheit wie auch der Reinigung des Gewissens und zum
anderen die im Text behandelten Arten der Gedanken wie auch die des Geistes.
Mehr wäre in den Blick zu nehmen, zumal die Berücksichtigung des Textes in
den historischen Disziplinen bisher sehr überschaubar geblieben ist.254 Bei
diesen beiden Punkten handelt es sich jedoch um solche, die - neben dem zen-
tralen und titelgebenden Motiv der Gewissensarten - den Kern des Traktats
markieren. Gerade die Passagen über die verschiedenen cogitationes und Spiri-
tus sind trotz ihrer Kürze von hoher Aussagekraft; in der Trias von Gewissen,
Gedanken und mentaler Orientierung, als die man eben jene Spiritus verstehen
kann, entwirft der Traktat nicht nur Gliederungsprinzipien kognitiver Prozesse
des Menschen, sondern zugleich ein Funktionsmuster von dessen moralischer
Urteilsbildung.
a) Reinheit und Reinigung des Gewissens
Ein reines, ruhiges und überdies furchtloses Gewissen biete der Seele die heil-
samste und allersüßteste Ruhe, so Bernhard von Clairvaux in einer Predigt
zum Allerheiligenfest.255 Sein Ordensbruder Alain de Lille vermerkte in seiner
Summa de arte proedicatoria, dass die Reinheit des Gewissens ein Abbild des
ewigen Lebens und eine Vorwegnahme des himmlischen Reiches sei.256 Niemand
könne rein sein, wenn er ein unreines Gewissen habe, heißt es in einer Hilde-
bert von Lavardin zugeschriebenen Predigt.257 Zahlreiche weitere Beispiele
mit ähnlichem Tenor ließen sich anführen.258 Einem solchen Verständnis des
Zusammenhangs von Gewissensreinheit und Seelenruhe entsprechen auch die

254 Ausführlicher haben sich bisher nur Ph. Delhaye, Le probleme, S. 91-6; Ders., Dans le sillage,
S. 92-6; E. Bertola, II problema della coscienza, S. 103-19 und G. Melville, Der Mönch als
Rebell, S. 172-86 mit diesem Traktat beschäftigt.
255 „Haec est, inquam, animae suavissima et saluberrima requies, conscientia munda, quieta, secu-
ra.“ Bernhard von Clairvaux, In festivitate Omnium Sactorum, Sermo II.6, in: Sämtliche
Werke, Bd. 8, S. 764.
256 „[...] puritas conscientia: vita: eterna: est imago, et regni coelestis praTatio.“ Alain de Lille,
Summa de arte prxdicatoria, cap. 14, Sp. 139 B.
257 „Non enim mundus est, cujus immunda est conscientia.“ Ps.-Hildebert von Lavardin, Ser-
mones de tempore, Infesto Sancti Nicolai, Sp. 711 A. Zu Überlieferung und Zuschreibung die-
ser Predigt vgl. B. Haureau, Notice sur les sermons, S. 141.
258 Vgl. weitere Beispiele in meiner Studie Das ,Haus des Gewissens1 S. 45-54.
 
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