6.2 Bearbeitungen, Zitate und Paraphrasen
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due partes tractabuntur in crastinum.“247 Die Fortsetzung erfolgt dann auch tat-
sächlich erst in der übernächsten Predigt.248
Auf den Inhalt seiner Ausführungen soll hier nur in aller Kürze und am Bei-
spiel der conscientia mala et pacata eingegangen werden. Kennzeichnend für
Raulins Umgang mit dem Motiv der vier Gewissensarten ist, dass er eine Viel-
zahl anderer Typen unter diesem subsumiert. So trifft er für das schlechte, aber
doch ruhige Gewissen folgende Unterscheidungen: Ein derartiges Gewissen sei
grundsätzlich denjenigen eigen, die ohne jede Furcht sündigen würden. Dieses
treffe zunächst auf solche zu, die nicht wüssten, dass sie sündigen. Hierunter
fielen zum einen Jugendliche, die seit ihrer Kindheit in einer solchen Umgebung
aufgewachsen seien, in der ihnen kaum bewusst geworden wäre, wie verdorben
ihr Leben sei, zum anderen aber auch Ungläubige, die einzig in ihrem Irrglauben
unterwiesen wurden. Frage man aber, woher diese Beständigkeit im Irrglauben
komme, so laute die Antwort, dass sie während ihres ganzen Lebens im unkorri-
gierten Buch ihres Gewissens gelesen hätten.249
Dieses Motiv des Uber conscientiae wird von Raulin im Folgenden breit und
differenziert entfaltet. So würden einige sündigen, weil sie nicht in ihren eigenen,
sondern einzig den Büchern der anderen lesen wollten. Weiterhin würden auch
jene furchtlos sündigen, die sich immer und in allem auf die ihnen von ihrem Ge-
wissen vorgegebenen Regeln verlassen würden, denn dieses könne irren - sei es aus
Hass, sei es aus Liebe.250 Damit eröffnete Raulin zugleich eine neue Dimension,
indem er die Orientierung der conscientia als consequens, wie sie im ursprüng-
lichen Textbestand des 12. Jahrhunderts zu finden war, um die Orientierung auch
als antecedens ergänzte und so die Funktionalität des Gewissens erweiterte. Es ist
nicht mehr nur Maßstab für die Bewertung vorgängiger Handlungen, sondern
ebenso für die Beurteilung aller künftigen, womit dem Gewissen die Aufgabe
zukommt, Entscheidungen der Vernunft reflexiv zu begleiten.
247 Ebd., cxxr.
248 „Nunc dicemus de vase in quo recipiuntur bona ista spiritalia scilicet de bona conscientia pro-
sequendo quod hesterno sermone dimissimus.“ Ebd., Sermo XL, cxxmv.
249 „Prima conscientia est eorum qui absque ullo timore peccant. Et isti sunt in duplici differentia.
Nam quidam sunt tales ex eo quod nesciunt se peccare. Taliter enim assueti sunt et taliter a
iuventute imbuti et nutriti in malis moribus quod vix alicui credunt de vita sua quod sit mala.
[...] Et tales sunt infideles instructi in heresi: et religiosi instructi a iuventute in vita deformi.
[...] Sed queritur unde procedit hec obstinatio: ut non credant vera dicentibus. Respondetur
quia studuerunt per totam vitam suam in libro falso et incorrecto sue conscientie Ebd.,
Sermo XXXVIII, cxvir-v. Zum Motiv des liber conscientiae vgl. Breitenstein, Das ,Buch des
Gewissens'.
250 „Secundo sequitur quod non est omnino et semper adherendum isti regule conscientie nostre:
quia aliquando errat, et hoc vel odio vel amore.“ J. Raulin, Sermones quadragesimales, Sermo
XXXVIII, cxviT.
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due partes tractabuntur in crastinum.“247 Die Fortsetzung erfolgt dann auch tat-
sächlich erst in der übernächsten Predigt.248
Auf den Inhalt seiner Ausführungen soll hier nur in aller Kürze und am Bei-
spiel der conscientia mala et pacata eingegangen werden. Kennzeichnend für
Raulins Umgang mit dem Motiv der vier Gewissensarten ist, dass er eine Viel-
zahl anderer Typen unter diesem subsumiert. So trifft er für das schlechte, aber
doch ruhige Gewissen folgende Unterscheidungen: Ein derartiges Gewissen sei
grundsätzlich denjenigen eigen, die ohne jede Furcht sündigen würden. Dieses
treffe zunächst auf solche zu, die nicht wüssten, dass sie sündigen. Hierunter
fielen zum einen Jugendliche, die seit ihrer Kindheit in einer solchen Umgebung
aufgewachsen seien, in der ihnen kaum bewusst geworden wäre, wie verdorben
ihr Leben sei, zum anderen aber auch Ungläubige, die einzig in ihrem Irrglauben
unterwiesen wurden. Frage man aber, woher diese Beständigkeit im Irrglauben
komme, so laute die Antwort, dass sie während ihres ganzen Lebens im unkorri-
gierten Buch ihres Gewissens gelesen hätten.249
Dieses Motiv des Uber conscientiae wird von Raulin im Folgenden breit und
differenziert entfaltet. So würden einige sündigen, weil sie nicht in ihren eigenen,
sondern einzig den Büchern der anderen lesen wollten. Weiterhin würden auch
jene furchtlos sündigen, die sich immer und in allem auf die ihnen von ihrem Ge-
wissen vorgegebenen Regeln verlassen würden, denn dieses könne irren - sei es aus
Hass, sei es aus Liebe.250 Damit eröffnete Raulin zugleich eine neue Dimension,
indem er die Orientierung der conscientia als consequens, wie sie im ursprüng-
lichen Textbestand des 12. Jahrhunderts zu finden war, um die Orientierung auch
als antecedens ergänzte und so die Funktionalität des Gewissens erweiterte. Es ist
nicht mehr nur Maßstab für die Bewertung vorgängiger Handlungen, sondern
ebenso für die Beurteilung aller künftigen, womit dem Gewissen die Aufgabe
zukommt, Entscheidungen der Vernunft reflexiv zu begleiten.
247 Ebd., cxxr.
248 „Nunc dicemus de vase in quo recipiuntur bona ista spiritalia scilicet de bona conscientia pro-
sequendo quod hesterno sermone dimissimus.“ Ebd., Sermo XL, cxxmv.
249 „Prima conscientia est eorum qui absque ullo timore peccant. Et isti sunt in duplici differentia.
Nam quidam sunt tales ex eo quod nesciunt se peccare. Taliter enim assueti sunt et taliter a
iuventute imbuti et nutriti in malis moribus quod vix alicui credunt de vita sua quod sit mala.
[...] Et tales sunt infideles instructi in heresi: et religiosi instructi a iuventute in vita deformi.
[...] Sed queritur unde procedit hec obstinatio: ut non credant vera dicentibus. Respondetur
quia studuerunt per totam vitam suam in libro falso et incorrecto sue conscientie Ebd.,
Sermo XXXVIII, cxvir-v. Zum Motiv des liber conscientiae vgl. Breitenstein, Das ,Buch des
Gewissens'.
250 „Secundo sequitur quod non est omnino et semper adherendum isti regule conscientie nostre:
quia aliquando errat, et hoc vel odio vel amore.“ J. Raulin, Sermones quadragesimales, Sermo
XXXVIII, cxviT.