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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0379
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378

6. Rezeptionen und Wirkungen

„Wohl dem Gewissen, welches sich noch unter der Last der Sünde ängstigt
und krümmt“,657 rief Krauss und kam damit auf ein für ihn auch an anderer
Stelle bereits zentrales Thema zu sprechen: die Gewissensqualen.658 Ganz offen-
sichtlich waren für ihn weder Tugend noch Erkenntnis oder Seelsorge geeignet,
das Gewissen und damit den Menschen zu bessern - dies vermochte einzig die
Last des schlechten Gewissens: „Die Gewissensbisse, seyen sie auch noch so
schrecklich, sind eine Ueberzeugung, daß uns Gott rufet, und auf dem Wege der
Buße und Erlösung zu sich führen will.“659
Wo Generationen von Predigern ihre Hörer ermahnt hatten, sich selbst zu
prüfen und zu bessern, zu beichten und zu bekennen, um dem Ziel des guten und
ruhigen Gewissens näherzukommen, sah Krauss die Hoffnung einzig im Gebet
- aber nicht etwa in einem um die conscientia bona et tranquilla - seine Obses-
sion scheint vielmehr die Qual: „Göttlicher Heiland, Jesus Christus! gib uns
allen diese Schmerzen des Gewissens, vermehre sie [...].“660
Krauss erscheint mit seinem Gewissensverständnis damit als Repräsentant
eines für die Zeit typischen theologischen Eudaimonismus, wie er bspw. von Bene-
dikt Stattler (f 1797) vertreten wurde, für den selbst „das Heilshandeln Gottes
ganz unter dem Aspekt der Glückseligkeit des Menschen“661 stand. Ebenso wie der
sanktionierenden Strafe kommt dabei dem eigenen Tun des Menschen zentrales
Gewicht zu.662 Krauss verknüpfte diese beiden Aspekte, indem er den Menschen
gleichsam um die eigene Strafe, und damit den Weg zum Heil beten ließ.
Konrad Martin: Lehrbuch der katholischen Moral
Im Jahr 1850 veröffentlichte der Paderborner Bischof Konrad Martin (f 1879)
sein Lehrbuch der katholischen Moral. Mit diesem hatte der auch kirchenpoli-
tisch äußerst engagierte Hirte augenscheinlich rasch Erfolg,663 so dass sein Werk
657 Ebd., S. 19.
658 Ihnen widmete er sich in einer eigenen Predigt, die drei Jahre zuvor erschien: Ders., Sonntags-
Predigten (1823), n° 17, S. 135-42.
659 Ders., Sonntags-Predigten (1826), n° 3.2, S. 19. Ähnlich hatte auch Franz Xaver Brean argu-
mentiert, vgl. oben S. 356, Anm. 567.
660 J. N. Krauss, Sonntags-Predigten (1826), n° 3, S. 19.
661 Zitiert nach: B. Jendrosch,/oAuw Michael Sailers Lehre, S. 55. Jendrosch führt weiter aus
„Weil Gott ohne Eigenverdienste keine Seligkeit schenkt, aber dem Glück des Menschen ver-
pflichtet ist, muß er unter Wahrung der Freiheit des Menschen, aber auf wirksame Weise, den
Menschen zu sittlich wertvollem Tun bewegen.“ ebd., S. 58.
662 Vgl. hierzu ausführlich B. Jendrosch, Johann Michael Sailers Lehre, S. 56-61 und passim.
663 Zu Konrad Martin vgl. mit weiteren Hinweisen: E. Naab, „ Martin, Konrad, Bischof von Pa-
derborn“ sowie O. Mochti, Das Wesen der Sünde, S. 135f. Zum kirchenpolitischen Engage-
ment vgl. anhand des besonders signifikanten Beispiels des dem Bistum Paderborn unterstellten
 
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