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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0023
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Die Hölle im Menschen I 19

um die Menschen kümmern.18 An die Realität der Hölle als Teil der einen
Schöpfung des einen Schöpfergottes zu glauben, war zentral - ebenso zentral
wie daran zu glauben, dass ihr eine spezifische Funktion im göttlichen Heils-
plan zukam.
Dass die Hölle Teil der Schöpfung Gottes ist, ist eine fundamentale Botschaft,
die sich bereits in der Petrusapokalypse aus der Mitte des 2. Jahrhunderts findet,
wo ihre Schrecken in grellsten Farben gezeichnet werden.19 Nachhaltig wurde
das Bild des Inferno und seiner Funktion durch die Beschreibungen und Erklä-
rungen Gregors des Großen geprägt, der die Hölle fest innerhalb des göttlichen
Strafsystems verankerte,20 so dass der Glauben an sie schließlich selbst heilsnot-
wendig wurde, wie im Weißenburger Katechismus aus dem frühen 9. Jahrhun-
dert zu lesen ist, wo es knapp und bündig heißt: „Und die Gutes taten, fahren in
das ewige Leben, und die Übles taten, in das ewige Feuer. Dies ist der allgemeine
Glaube, wenn den nicht ein jeder getreulich und fest glaubt, kann er nicht heil
werden.“21
Die Hölle war ein Ort - dies stand fest. Sie war jedoch ein Ort, der diejenigen,
die über ihn nachdachten, vor nicht wenige Probleme stellte: Wie war ein Ort
des Schreckens und der Qual mit einem Gott der Liebe in Beziehung zu setzen?
Welche Macht sollte dem Teufel und allen anderen Dämonen zukommen, wenn
doch eigentlich Gott der Herr aller Dinge war? Warum hatte Gott überhaupt
eine Hölle geschaffen, wenn der Mensch doch vor dem Sündenfall gut war? Die
Liste dieser Fragen ließe sich leicht verlängern; und es sind Fragen, die sich nicht
erst aus heutiger analytischer Perspektive stellen, sondern sie bewegten die Men-
schen bereits vor der Moderne. Doch jenseits solcher spezifisch theologischer
Probleme ergaben sich - wenn man die Hölle unter der Erdoberfläche, im Bauch
der Erde, ja im Zentrum der Welt verortete22 - auch ganz banale topographische
Herausforderungen. Aber erstaunlicherweise wurde die Frage, wie denn die
18 Justinus, 2. Apologie, cap. 9, in: Justin, Philosopher and Martyr, Apologies, ed. Denis
MiNNs/Paul Parvis (Oxford Early Christian Texts), Oxford 2009, S. 302-305.
19 Offenbarung des Petrus, in: Wilhelm Schneemelcher (Hg.), Neutestamentliche Apokry-
phen in deutscher Übersetzung, Bd. 2, Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tübin-
gen 51989, S.562-578.
20 Vgl. im Überblick Georges Minois, Die Hölle. Zur Geschichte einer Fiktion, aus dem Fran-
zösischen von Sigrid Kester, München 1994, S. 170-175.
21 Endi thie guat datun, farent in euuig liib, Endt thie ubil datun, in euuig fuir. Thisu gilauba
allchiu, thia nibi eogihuuelihher triulicho endi fastlicho gilaubit, heil uuesan ni mag., zitiert
nach Althochdeutsche Literatur. Eine kommentierte Anthologie, übers., hg. und komm, von
Stephan Müller, Stuttgart 2007, S. 188f.
22 Vgl. im Überblick zur Topographie der Hölle als Jenseitsraum: Peter Dinzelbacher, Vision
und Visionsliteratur im Mittelalter (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 23),
Stuttgart 1981, S. 90-101.
 
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